Einige Ziele und Prioritäten des EHR (z. B. Anwendung des ECTS, dreigliedrige Studienarchitektur), sind im UG verankert; andere werden v. a. in den LV mit den Universitäten festgelegt. In regelmäßigen Konferenzen und Kommuniqués benennen die europäischen Ministerinnen und Minister für Hochschulbildung Themenschwerpunkte und Handlungsfelder für die weitere Entwicklung des EHR. Österreich greift sie mittels nationaler Prioritäten auf und setzt Maßnahmen zur Umsetzung auf verschiedenen Ebenen des österreichischen Hochschulbereichs, z. B. durch die Schaffung oder Adaptierung gesetzlicher Grundlagen. Zuletzt geschah dies im Bereich der Einrichtung von gemeinsamen Studienprogrammen.
Prioritäre Themen des EHR geben Anstoß zur Entwicklung nationaler Strategien: Die Hochschulmobilitätsstrategie 2016 wurde in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit den Hochschulen zur HMIS2030 (BMBWF, 2020b) weiterentwickelt (vgl. Abschnitt 2.8.5). Ziele und Themenschwerpunkte des EHR fanden im Hochschulplan (vgl. Abschnitt 2.1) und im GUEP (vgl. Abschnitt 2.2) Berücksichtigung. Operative Umsetzungsmaßnahmen im Universitätsbereich sind ebenfalls Teil der LV.
Die Umsetzung der EHR-Ziele und -Prioritäten in Österreich fand auf breiter Basis statt: Die österreichische Bologna Follow-up Gruppe (BFUG, [BMBWF, n. d. {d}]) setzte sich im Berichtszeitraum aus allen Stakeholderinnen und Stakeholdern zusammen, die sich mit EHR- bzw. Bologna-Themen befassten (Universitäten, FH, Privatuniversitäten und Privathochschulen, PH, Interessenvertretungen, Studierende, Ministerien). Die Bologna-Kontaktstelle im BMBWF fungierte als Schnittstelle zwischen der nationalen und europäischen Ebene; die Bologna-Servicestelle im OeAD diente zusätzlich als sektorenübergreifende und unabhängige Beratungs- und Informationsstelle. Die österreichischen Hochschuleinrichtungen nominierten zur einschlägigen Informationsförderung Bologna-Koordinatorinnen und -Koordinatoren. Ein neunköpfiges EHR-Expertinnen- und -Experten-Team stand u. a. für individuelle Beratung und Begleitung der österreichischen Hochschulen bei der Umsetzung der Ziele und Prioritäten zur Verfügung.
Unterstützung im Rahmen von BMBWF-Erasmus+-Projekten
Seit vielen Jahren beteiligt sich das BMBWF erfolgreich an den Aufrufen „Support to the implementation of EHEA (European Higher Education Area) reforms“ der EK unter Leitaktion 3 in Erasmus+. Gemeinsam mit der Bologna-Servicestelle im OeAD bot das Ministerium den österreichischen Hochschuleinrichtungen vielfältige Beratung, Trainings und Information. Sie orientierten sich inhaltlich am „Bologna Implementation Report“, den ministeriellen Kommuniqués und – im Sinne der Zielgruppenorientierung – an den Rückmeldungen und Vorschlägen der österreichischen Hochschulen, welche u. a. im Wege der nationalen BFUG eingebracht wurden.
Mit dem Projekt „INternationalisation/INclusion/INnovation: Towards high-quality inclusive mobility and innovative teaching & learning in an internationalised Austrian Higher Education Area 2019–2021“ (3-IN-AT, [OeAD, n. d. {a}]) wuchs das Arbeitsprogramm um die konkrete Zusammenarbeit mit einzelnen Ländern des EHR an (Einbindung von „swissuniversities“ sowie des kroatischen Ministeriums für Wissenschaft und Bildung, der „European Students‘ Union“ (ESU) und der „European University Association“) (vgl. UB 2020, Abschnitt 10.1.4).
Von Jänner 2022 bis Dezember 2024 führt das BMBWF mit der Bologna Servicestelle im OeAD das Projekt „INterconnection/INnovation/INclusion: Austrian contributions to the EHEA 2030 (3-IN-AT-PLUS, [OeAD, n. d. {c}])“ durch. Die thematischen Schwerpunkte sind:
Monitoring
Das BMBWF erstellt anlässlich jeder EHR-Ministerinnen- und -Ministerkonferenz einen nationalen „EHR-Umsetzungsbericht“ (ehemals „Bologna Monitoring Report“, [BMBWF, n. d. {h}]) als Überblick zur Umsetzung der Bologna-Ziele im österreichischen Hochschulraum. Der nächste Bericht wird anlässlich der ministeriellen EHR-Konferenz im Mai 2024 in Tirana, Albanien veröffentlicht. Auf europäischer Ebene wird der „Bologna Implementation Report“ (BMBWF, n. d. {c}) anlässlich der EHR-Konferenz erscheinen: Er ermöglicht einen Vergleich des Umsetzungsstands und des Zielerreichungsgrads in den EHR-Ländern.
„Microcredentials sind Nachweise über die Lernergebnisse, die eine Lernende bzw. ein Lernender im Rahmen einer weniger umfangreichen Lerneinheit erzielt hat. Diese Lernergebnisse werden anhand transparenter und eindeutig definierter Kriterien beurteilt. Lernerfahrungen, die zum Erhalt von Microcredentials führen, sind so konzipiert, dass sie den Lernenden spezifische Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen vermitteln, die dem gesellschaftlichen, persönlichen, kulturellen oder arbeitsmarktbezogenen Bedarf entsprechen. Microcredentials sind Eigentum der Lernenden, können geteilt werden und sind übertragbar. Sie können eigenständig sein oder kombiniert werden [...], sodass sich daraus umfangreichere Qualifikationen ergeben. Sie werden durch eine Qualitätssicherung gestützt, die sich an den im jeweiligen Sektor oder Tätigkeitsbereich vereinbarten Standards orientiert." (Empfehlung des Rates über einen europäischen Ansatz für Microcredentials für lebenslanges Lernen und Beschäftigungsfähigkeit, S. 13 lit. a)
Die Empfehlung des Rates über einen europäischen Ansatz für Microcredentials für lebenslanges Lernen und Beschäftigungsfähigkeit (Rat der Europäischen Union, 2022a) wurde am 16. Juni 2022 angenommen. In die Ratsempfehlung flossen der Bericht der Consultation Group for a European Approach on Micro-credentials der Europäischen Kommission (aus Österreich nahm die FH Joanneum teil, [European Commission, 2020]), die Ergebnisse des Erasmus+ Projekts MICROBOL (https://microbol.microcredentials.eu/) im EHR (Vertretungen aller österreichischen Hochschulsektoren sowie Fachabteilungen des BMBWF) und die Ergebnisse einer EU-weiten Umfrage der Europäischen Kommission ein.
Nationale Umsetzung
Auf nationaler Ebene wurde 2021 eine Begleitgruppe zu Micro-credentials (MC) eingerichtet: Ihr gehörten Vertreterinnen und Vertreter der vier Hochschulsektoren (nominiert durch Interessensvertretungen), der AQ Austria und des BMBWF an. Die Begleitgruppe erarbeitete eine Nationale Position der Hochschulbildung zum Thema Micro-credentials (BMBWF, 2021c) für Verhandlungen auf EU-Ebene.
Als Nicht-Ziel hielt das nationale Positionspapier explizit das Zusammentragen von mehreren MC über die nationalen und internationalen Hochschulsysteme hinweg fest: Fachlich sinnvoll aufgebaute und zusammenhängende Curricula würden ad absurdum geführt. EC können und sollen kein Ersatz für „Full Degrees“ sein.
Einige österreichische Universitäten widmeten sich diesem Thema sehr aktiv: Die LFU Innsbruck und die MUL führten in der LV-Periode 2022–2024 ein Pilotprojekt durch; die TU Graz implementierte MC im Regelstudium und in der Weiterbildung.
Im Herbst 2022 führte der OeAD im Auftrag des BMBWF eine Bestandsaufnahme von MC-Angeboten an österreichischen Hochschulen durch. Sie erhob:
Die Rücklaufquote lag im Durchschnitt über alle Hochschulen hinweg bei knapp 79 %. Mit Stand 2022 boten vier Hochschulen MC an; zehn weitere hatten konkrete Pläne für die Einführung von MC-Bildungsangeboten. Ob diese kostenpflichtig waren oder nicht, hing von den rechtlichen Rahmenbedingungen und Spielräumen der jeweiligen Hochschulsektoren ab. Die Hochschulen sahen folgenden Mehrwert von MC (Mehrfachantworten waren möglich):
Die Universitäten griffen teils auf bestehende Module oder Lehrveranstaltungen zurück oder gestalteten neue und maßgeschneiderte Bildungsangebote mit externen Kooperationspartnern.
Für 80 % der Hochschulen war klar, dass MC eine Flexibilisierung der studentischen Laufbahn begünstigen kann; Hauptzielgruppen waren v. a. Alumni der eigenen Hochschule oder fachspezifisch tätige Personen ungeachtet ihrer formalen Vorbildung. Der Mehrwert von MC vor dem Studium oder in der Studieneingangsphase wurde als verhältnismäßig gering eingestuft.
70 % der Hochschulen gaben an, dass das Konzept der MC von der Ausweitung digitaler Lernformate in den letzten Jahren profitierte: Sie bieten großes Potential bei flexiblen Lernzeiten, bei Europäischen Hochschulallianzen, bei der Einbindung internationaler Lehrender und beim Lehrangebot für internationale Studierende.
Im September 2023 veröffentlichte die nationale Bologna Follow-up Gruppe eine Empfehlung zur Umsetzung von MC in Österreich (Nationale BFUG, 2023) als praxisnahe Leitlinie zur Implementierung von MC an den österreichischen Hochschulen.