Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die Österreich 2008 ratifizierte, betont explizit das Menschenrecht auf Bildung für Menschen mit Behinderungen. Gemäß Artikel 24 (Unterpunkt 5) der UN-BRK ist sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner tertiärer Bildung haben; dafür müssen angemessene Vorkehrungen getroffen werden. Inklusion ist deshalb eine Kernaufgabe der Universitäten.
Gemäß Universitätsgesetz 2002 (UG) sind bei der Erstellung der Curricula die Zielsetzungen des Artikel 24 der UN-BRK zu berücksichtigen. Für Studierende mit einer Behinderung sind die Anforderungen der Curricula – allenfalls unter Bedachtnahme auf beantragte abweichende Prüfungsmethoden – entsprechend zu modifizieren; das Ausbildungsziel des gewählten Studiums muss erreichbar sein (§ 58 Abs. 10 und 11 UG).
Studierende mit Behinderungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen haben weitere gesetzlich festgelegte Rechte im Studium: Im Rahmen der Lernfreiheit steht ihnen das Recht auf eine abweichende Prüfungsmethode zu, wenn eine Behinderung nachgewiesen wird, die die Ablegung der Prüfung in der vorgeschriebenen Methode unmöglich macht, und der Inhalt und die Anforderungen der Prüfung durch eine abweichende Methode nicht beeinträchtigt werden (§ 59 Abs. 1 Z. 12). Das kann z. B. eine schriftliche statt einer mündlichen Prüfung (bzw. umgekehrt) sein, verlängerte Prüfungszeit, die Verwendung technischer Hilfsmittel oder Assistenz.
Seit der UG-Novelle 2021 gilt das Recht auf eine abweichende Prüfungsmethode bei Aufnahme‐ und Zulassungsverfahren gemäß § 71b UG; die Regelung betrifft besonders stark nachgefragte Studienfelder bzw. Studien. Das Ausbildungsziel des gewählten Studiums muss erreichbar bleiben. Bei Bedarf sind geeignete Unterstützungsmaßnahmen, insbesondere (Sprach-)Assistenz vorzusehen. Für Studienwerbende für ein Lehramtsstudium gilt, dass vom Nachweis jener Eignungskriterien Abstand zu nehmen ist, die bei Erfüllung der wesentlichen Anforderungen für den angestrebten Beruf aufgrund einer Behinderung nicht erfüllt werden können. Bei Bedarf sind im Rahmen des Eignungsfeststellungsverfahrens geeignete Ausgleichsmaßnahmen, insbesondere (Sprach-)Assistenz, vorzusehen (§ 65a Abs. 3 UG). Weiters ist für Studierende mit Behinderung und einem Einschränkungsgrad von mindestens 50 % der Erlass des Studienbeitrags bei Studienzeitüberschreitung vorgesehen (§ 92 Abs. 1 Z. 6 UG).
Studierende mit einer Behinderung im Sinne des § 3 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) sind von der seit WS 2022/23 geltenden gesetzlichen Mindeststudienleistung (16 ECTS-Anrechnungspunkte in den ersten vier Semestern) ausgenommen. Werden für Prüfungen Mittel der elektronischen Kommunikation (§ 76a UG) verwendet, muss sichergestellt sein, dass für Studierende mit Behinderungen ein barrierefreier Zugang zur betreffenden Prüfung gewährleistet ist.
Mit der UG-Novelle 2021 wurde als neuer gesetzlicher Beurlaubungsgrund die „vorübergehende Beeinträchtigung im Zusammenhang mit einer Behinderung“ in das UG aufgenommen. Sie kann während des Semesters beantragt werden, wenn sich der gesundheitliche Zustand von Studierenden ändert und eine unvorhergesehene Studienunterbrechung notwendig wird (§ 67 Abs. 1 Z. 6).
Gemäß Web-Zugänglichkeits-Gesetz (WZG) sind die Universitäten verpflichtet, ihre Websites barrierefrei zu gestalten, um ihre Informationen für alle Interessierten zugänglich zu machen.
Unterstützungsstrukturen
An allen Universitäten gibt es eine Ansprechperson für Studierende mit Behinderungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen; an einigen Universitäten ist diese Ansprechperson in eine Organisations- oder Serviceeinheit integriert, die für die Anliegen der Zielgruppe zuständig ist.
Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen der Universitäten für Studierende mit Behinderungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen zielen darauf ab, Hindernisse, die einer gleichberechtigten Teilhabe entgegenstehen, abzubauen, auszugleichen und ihre Überwindung zu erleichtern. Für einen Weg zu inklusiven Universitäten ist es nötig, strukturelle Barrieren auf individueller und institutioneller Ebene zu identifizieren und abzubauen.
Inklusion an österreichischen Universitäten im Berichtszeitraum
Laut den Daten der letzten Studierenden-Sozialerhebungen hatten rund 12 % der Studierenden in Österreich eine oder mehrere Behinderungen oder Beeinträchtigungen; hochgerechnet auf alle Studierenden waren das 39.100 Studierende, deren Studium durch eine Behinderung, eine chronische, psychische oder sonstige längerdauernde Erkrankung oder eine Teilleistungsstörung (z. B. Legasthenie, Dyslexie, Dyskalkulie etc.) erschwert wurde (vgl. UB 2020, Abschnitt 7.3.6).
Die Zahl der Studierenden mit psychischen Erkrankungen war bereits vor der COVID-19-Pandemie deutlich gestiegen: Diese Gruppe wies in der Erhebung 2019 den stärksten Anstieg (v. a. Depressionen und Angststörungen) auf. Die Universitäten reagierten auf die Belastungen ihrer Studierenden, die sich auch postpandemisch zeigten, mit mehr psychosozialen Angeboten. In den LV 2022–2024 setzten manche Universitäten spezielle Schwerpunkte auf psychische Beeinträchtigungen und mentale Gesundheit (z. B. KFU Graz, Vetmeduni, TU Graz) oder auf Studieren im Autismusspektrum bzw. mit Lernschwierigkeiten. Die WU veranstaltete mehrmals im Semester moderierte Peergroups zu „Studieren mit AD(H)S“ und „Studieren mit Legasthenie/Dyskalkulie“. Die LFU Innsbruck etablierte das Projekt S-AAL für Studierende mit Autismus, Aufmerksamkeitsstörungen und Lernstörungen.
In Bezug auf die Studierbarkeit (vgl. Abschnitt 7.2.1) gab es große Unterschiede zwischen Studierenden mit und ohne Beeinträchtigungen. Eine gute Studierbarkeit ihres Studiums attestierten Studierende mit Beeinträchtigungen in geringerem Ausmaß als Studierende ohne Beeinträchtigungen (34 % vs. 45 %); die eigene Studienleistung schätzten sie wesentlich schlechter ein (29 % vs. 18 %).
Inklusion war als wichtiger Bestandteil der universitären Entwicklung in den nationalen Steuerungsinstrumenten (vgl. Abschnitt 2.1 sowie 2.2) adressiert. Im Systemziel 3 des GUEP zur Verbesserung der Qualität und Effizienz der universitären Lehre wurde festgelegt, dass Inklusion und insbesondere die Teilhabe von Studierenden mit Behinderungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen weiterzuentwickeln, die entsprechenden Unterstützungsangebote sowohl institutionell als auch übergreifend auf- und auszubauen und Barrierefreiheit in der Lehre sicherzustellen sind. Die Universitäten setzten in Entwicklung bzw. Umsetzung ihrer Diversitätsstrategien und Gleichstellungspläne Schritte in Richtung inklusiver Hochschulen.