10.1 Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein wichtiger Motor von Digitalisierung und hat das Potenzial, alle Bereiche von Gesellschaft, Wissenschaft und Forschung nachhaltig zu verändern. Die Aufgabe von Universitäten als Innovationstreiberinnen und Erzeugerinnen bzw. Vermittlerinnen wissenschaftlicher Erkenntnisse ist es, sich in Lehre und Forschung mit der (Weiter-)Entwicklung dieser Technologien und mit ihren Auswirkungen kritisch auseinanderzusetzen. 

Künstliche Intelligenz in der Hochschulbildung

In den Berichtszeitraum fiel mit der Veröffentlichung des Chatbots ChatGPT Ende 2022 ein Paradigmenwechsel in der Verfügbarkeit von und im Umgang mit KI: Das leistungsstarke Tool konnte innerhalb weniger Sekunden formal passable Texte – von der Eröffnungsrede bis zur strukturierten Seminararbeit – liefern. Umfang und Qualität der generierten Texte führten rasch zu einer breiten Diskussion, wie mit den neuen Möglichkeiten umzugehen sei. Im hochschulischen Bereich standen Fragen der Urheberschaft, Prüfungskonzepte und gute wissenschaftliche Praxis im Vordergrund. Einige Hochschulen veröffentlichten relativ rasch eigene Richtlinien zur Verwendung von KI-gestützten Inhalten z. B. in Lehrveranstaltungen und Prüfungen. Viele verbreiterten ihre Media-Literacy-Angebote für Studierende, Lehrende, Forschende und allgemeines Personal und forcierten kompetenzorientiertes Prüfen. Auch einige Universitäten nutzten die Aktualität und Brisanz des Themas, um Forschungsschwerpunkte auf- bzw. auszubauen oder neue Studien(-schwerpunkte) einzuführen (vgl. Abschnitt 10.3.2).

Darüber hinaus findet sich der Themenkomplex Künstliche Intelligenz zunehmend im Fokus internationaler und nationaler Strategien zur Hochschulgovernance. Auf nationaler Ebene gibt die Bundesstrategie für künstliche Intelligenz wesentliche Entwicklungslinien vor (vgl. Abschnitt 2.8.2), die im GUEP (2022–2027) auf konkrete Handlungsfelder heruntergebrochen wurden. Im Systemziel 3 des GUEP „Verbesserung der Qualität und Effizienz der universitären Lehre“ wurden die Stärkung von „Future Skills“ (Digital Skills, Computational Thinking etc.) sowie die Schaffung neuer Studienangebote zu MINT/KI verankert, insbesondere interdisziplinäre Studien in künftig entstehenden Berufsfeldern. Das Strategiepapier „Universitäten und Digitale Transformation im Jahr 2030“ hält u. a. fest, dass es klare rechtliche Rahmenbedingungen für KI-Anwendungen geben muss und die Eigentumsrechte von personenbezogenen Daten, die mittels KI erhoben und verarbeitet werden, immer bei den Nutzerinnen und Nutzern verbleiben müssen. Die Vermittlung ethischer und rechtlicher Aspekte von Digitalisierung und KI werden als Schwerpunkt hervorgehoben. Der Österreichische Hochschulplan 2030 adressiert das Thema in der Entwicklungslinie 5 „Lehre, Forschung und EEK im Kontext gesellschaftlicher Herausforderungen“.

Künstliche Intelligenz in der Lehre 

Mit Stand August 2023 waren insgesamt fünf KI-Studienprogramme an Österreichs öffentlichen Universitäten eingerichtet – zwei Bachelor- und drei Masterstudien. Neben den seit WS 2019/20 bestehenden Bachelor- und Masterstudien „Artificial Intelligence“ an der JKU und dem im WS 2020/21 eingerichteten Masterstudium „Artificial Intelligence and Cybersecurity“ an der AAU kamen im Leistungsvereinbarungs (LV-)Zeitraum 2022–2024 das Bachelorstudium „Artificial Intelligence“ an der PLUS und das Bachelorstudium „Robotics & Artificial Intelligence“ an der AAU (seit WS 2022/23) hinzu. In Planung war zum Zeitpunkt der Berichtslegung das weiterführende Masterstudium „Artificial Intelligence“ an der PLUS (ab 2024/25). KI-Inhalte werden außerdem in klassischen Informatik- oder Data-Science-Studien vermittelt, die zum Teil eine Vertiefung/Spezialisierung in KI vorsehen, wie z. B. im Masterstudium Computer Science der TU Graz oder in dem mit WS 2023 überarbeiteten Bachelorstudium Informatik der TU Wien. 

Interesse und Nachfrage an den relevanten Studien waren im Berichtszeitraum groß und steigend: Informatik gehörte zu den am stärksten nachgefragten Studienrichtungen bei Studienanfängerinnen und -anfängern (exklusive Doktoratsstudierende) und war seit dem WS 2019 konstant unter den Top 3 der begonnenen Studienrichtungen. Im Studienjahr 2022/23 ist Informatik mit einem Plus von 208 ordentlichen Studien bzw. 5,4 % im Vergleich zum Vorjahr 2021/22 einer der am stärksten wachsenden begonnenen Studien. Im ISCED-F 2013 Studienfeld 06 „Information and Communication Technologies“, dem auch Informatik- und KI-Studien angehören, werden an Österreichs öffentlichen Universitäten derzeit knapp 54 Studien angeboten. 

KI-Inhalte finden sich insbesondere in den ISCED Studienfeldern „0613 Software- und Applikationsentwicklung und -analyse“, „0612 Datenbanken, Netzwerkdesign und -administration“, „0619 Informatik und Kommunikationstechnologie nicht andernorts klassifiziert“, „0688 Int. Pr. mit Schwerpunkt Informatik und Kommunikationstechnologie“, aber auch den ISCED Studienfelder 0541 Mathematik und „0788 Int. Pr. mit Schwerpunkt Ingenieurwesen, verarbeitendes Gewerbe u. Baugewerbe“ (vor allem auch in Bezug auf Robotik). In diesen Studienfeldern gab es im Wintersemester 2022 insgesamt 17.203 ordentliche Studien, 1.482 davon in den oben genannten KI-Studienprogrammen (s. Tabelle 10.1-1).

Tabelle 10.1-1: Ordentliche Studien mit Schwerpunkt "Künstliche Intelligenz, Machine Learning und/oder Computational Sciences" an Universitäten (WS 2022)

Anmerkung: Ab dem WS 2016 erfolgt die zähltechnische Abbildung der Studien auf Basis des Verteilungsschlüssels gemäß § 22 Abs. 2 und Abs. 5 bis 7 UHSBV. Dadurch sind Studien auf ganze Zahlen zu runden und es kann zu Abweichungen zwischen der Gesamtsumme und den addierten Detailergebnissen kommen.

Quelle: Datenmeldungen der Universitäten auf Basis UHSBV zum jeweiligen Stichtag; Datenprüfung und -aufbereitung: BMBWF Abt. IV/10

Neben der Einrichtung neuer Studienprogramme und -schwerpunkte und der Vermittlung von (digitalen) Kompetenzen in nicht-informatischen Studienrichtungen, Erweiterungscurricula oder Weiterbildungslehrgängen, erproben einige Universitäten KI-Instrumente in der Lehre. 

Das Potenzial von KI-Tools wird v. a. in der Individualisierung von Lernpfaden und in der Unterstützung von Lehrenden und Lernenden bei repetitiven oder weniger anspruchsvollen Tätigkeiten gesehen. Gleichzeitig wirft der Einsatz von Hilfsmitteln wie ChatGPT, wie zuvor beschrieben, neue Fragen auf, die von Datenschutz bis zur akademischen Integrität und der Zukunft der hochschulischen Lehre allgemein reichen. Das BMBWF stand und steht mit den Hochschulen im Austausch zu den Auswirkungen von KI-Tools wie ChatGPT auf das hochschulische Lehren, Lernen und Prüfen und den Rahmenbedingungen für einen sinnvollen und sicheren Einsatz von KI.

Aufgrund der rasanten Entwicklung solcher Tools wird in der kommenden LV-Periode ein Schwerpunkt auf Digital- und KI-Kompetenzen bei Studierenden und dem reflektierten Umgang mit KI-Tools liegen. Das BMBWF treibt spezielle Angebote zur Vermittlung von Grundwissen und Spezialkenntnissen, für den Austausch der Hochschulen untereinander und für die Schaffung wissenschaftlicher Evidenzen weiter voran. 

Künstliche Intelligenz in der Forschung

Die EU und viele ihrer Mitgliedsstaaten sehen in der KI eine wichtige Zukunftstechnologie mit breitem Anwendungsspektrum. Die globale Führung auf diesem Gebiet lag im Berichtszeitraum hauptsächlich bei US-Privatfirmen. In Europa wurden vermehrt Anstrengungen unternommen, diese Abhängigkeit zu verringern und selbst zu einem einflussreichen Player auf diesem Gebiet zu werden.

KI und Grundlagenforschung sind eng miteinander verbunden. Grundlagenforschung dient der Erforschung fundamentaler Prinzipien und Mechanismen von natürlichen Phänomenen. KI zielt darauf ab, maschinelles Lernen und Technologien zu entwickeln, die es Computern ermöglichen, menschenähnliche Intelligenz zu demonstrieren. KI-Forschung baut auf der Grundlagenforschung auf, indem sie Erkenntnisse und Prinzipien aus der Mathematik, Informatik, Physik, Biologie und anderen Disziplinen kombiniert, um neue Algorithmen und Systeme zu entwickeln. Sie entwickelt neue Ansätze zur Verarbeitung natürlicher Sprache, zum maschinellen Sehen, zur Robotik und anderen Bereichen der KI.

Grundlagenforschung spielt eine wichtige Rolle bei der Lösung von grundlegenden Problemen in der KI und vice versa, z. B. bei der Entwicklung von Technologien, die menschenähnliche Intelligenz und Kreativität aufweisen können. KI-Grundlagenforschung trägt zur Lösung praktischer Probleme mit neuen Ansätze und Algorithmen bei, die komplexe Probleme in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft lösen können.

Österreichische Universitäten boten zum Zeitpunkt der Berichtslegung zahlreiche Programme und Forschungsprojekte an, die sich auf KI-Technologien konzentrierten:

  • Die Fakultät für Informatik der TU Wien konzentrierte sich auf die Erforschung von KI-Technologien. Die Forschungsschwerpunkte umfassten maschinelles Lernen, Sprachverarbeitung und KI im Allgemeinen. Das neu gegründete Zentrum für Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen (CAIML; https://caiml.org) bündelte Forschungsaktivitäten in diesen Bereichen und etablierte die TU Wien als Exzellenzzentrum für KI.
  • Die Forschung an der Uni Wien umfasste maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz, Neuroinformatik, Scientific Computing und Robotik.
  • Die JKU verfügte über eine eigene Abteilung für KI und Robotik, die sich auf die Erforschung von KI-Technologien konzentrierte. Das Institut für Machine Learning (IML; JKU, n. d. [a]) betrieb international renommierte Forschung und bot eine fundierte Ausbildung im Bereich maschinelles Lernen. Die Forschung konzentrierte sich u. a. auf die Entwicklung und Anwendung von maschinellem Lernen; Entscheidungstheorie, kognitive Robotik und neuronale Netze waren ebenfalls zentral. Das LIT (Linz Institute of Technology) Artificial Intelligence Lab (JKU, n. d. [b]) wurde um die drei Säulen Maschinelles Lernen, Logisches Denken und Computational Perception errichtet.
  • Die TU Graz war in der KI-Forschung aktiv und hatte eine eigene Abteilung für Wissensmanagement, die sich auf die Erforschung von KI-Technologien konzentrierte. Die Forschung umfasste maschinelles Lernen, Sprachverarbeitung, Robotik und künstliche Intelligenz im Allgemeinen. Im Graz Center for Machine Learning (GraML; TU Graz, n. d.) befassten sich Forschende interdisziplinär mit Themen des maschinellen Lernens und brachten einzigartige wissenschaftliche Blickwinkel ihrer täglichen Forschung ein. Die wissenschaftliche Arbeit war in sechs Kernforschungsbereiche, die sich v. a. den Grundlagen des maschinellen Lernens widmeten, sowie mehrere flexible Module gegliedert.

Diese und andere Universitäten in Österreich boten im Berichtszeitraum eine Vielzahl von Programmen und Forschungsprojekten, die es Studierenden und Forschenden ermöglichten, sich mit den neuesten Entwicklungen in der KI-Forschung auseinanderzusetzen.

Als öffentliche Einrichtungen und führende Forschungsstätten in Österreich widmen sich das Austrian Institute of Technology (AIT, n. d.) und das Institute of Science and Technology Austria (ISTA, n. d.) verschiedensten Aspekten der KI-Forschung. 

Daneben gibt es private KI-Forschungs- und Entwicklungsunternehmen in Österreich, wie RISE, das auf die Entwicklung von KI-basierten Technologien für die Automobilindustrie spezialisiert ist. Im Jahr 2018 verabschiedete die österreichische Regierung den „Austrian AI Strategy“-Plan, der Österreich zu einem führenden Standort für KI-Forschung und -Entwicklung machen soll.

Insgesamt ist die KI-Forschung an Österreichs Universitäten sehr aktiv und es gibt viele Möglichkeiten für Forschung und Entwicklung von KI-Technologien.

Infrastruktur für Künstliche Intelligenz

Da KI-Technologien oft mit hohen Hardwareanforderungen einhergehen, ist die nachhaltige Nutzung von bestehenden High-Performance-Computing-Anlagen (HPC) in Österreich (z. B. Vienna Scientific Cluster-5 [VSC]) bzw. der EU (z. B. EuroHPC/Lumi/LEONARDO) zentral.

Das BMBWF ermöglichte die Beteiligung an den größten Europäischen Rechenanlagen im Rahmen von EuroHPC oder stellte mit langjährigen Investitionen hochwertige HPC-Maschinen, Rechenzentren und wissenschaftliche Netzwerke zur Verfügung. Die Rechenleistungen z. B. des VSC liegen im Petaflop-Bereich mit mehr als 100.000 Kernen. 

  • Das VSC ist ein HPC-Cluster, das von mehreren Universitäten (Uni Wien, TU Wien, MUW, BOKU, LFU Innsbruck, TU Graz, KFU Graz) gemeinsam betrieben wird. Es bietet Forschenden Zugang zu leistungsstarker Rechenleistung für komplexe Berechnungen und Simulationen u. a. in der KI. 
  • Seit vielen Jahren förderte das BMBWF die Teilnahme an EuroHPC: In Österreich wurde ein HPC-Kompetenzzentrum geschaffen, um den Zugang zu HPC-Anlagen so einfach wie möglich zu machen. Zusätzlich förderte das BMBWF die Beteiligung am CINECA-Konsortium in Italien, um die Nutzung des LEONARDO-Hochleistungsrechners, einer der rechenstärksten HPC-Anlagen weltweit, zu ermöglichen (Stand Juni 2023: Platz 4 [TOP500, 2023]).

Die Forschungsinitiative „Quantum Austria“ setzte einen Infrastruktur-Schwerpunkt, der die Österreichische HPC-Leistung längerfristig steigern wird.