11.1.1 Erasmus+

Das Programm Erasmus+ 2021–2027 war seit dem Start 2021 ein erfolgreiches integriertes Bildungsprogramm mit den Sektoren Schul-, Berufs-, Hochschul- und Erwachsenenbildung sowie Jugend und Sport. Der Fokus liegt auf Kooperationen von Bildungseinrichtungen und Mobilität von Einzelpersonen. Das Programm fördert vorrangig die Internationalität im Bildungs- und Hochschulwesen sowie die Förderung der europäischen Dimension. Die vier Hauptprioritäten des Programms – „Inklusion und Vielfalt", "Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels“, „Digitaler Wandel“ und „Teilhabe am demokratischen Leben“ – entsprechen den zentralen Themen der europäischen Bildungspolitik. Erasmus+ fördert die Umsetzung wichtiger nationaler Strategien wie z. B. dem Gesamtösterreichischen Universitätsentwicklungsplan (GUEP), der Hochschulmobilitäts- und Internationalisierungsstrategie 2020–2030 (HMIS2030) oder der Nationalen Strategie zur sozialen Dimension in der Hochschulbildung.

Im Fokus der Priorität „Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels“ steht die Sensibilisierung der Teilnehmenden insbesondere für den ökologischen Fußabdruck ihrer Mobilität. Während der OeAD-Hochschultagung mit dem Titel „Green Internationalisation – Internationalisierung im Kontext von Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ im November 2021 diskutierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer u. a. die Ambivalenz von internationaler Interaktion und Verantwortlichkeit für globale Entwicklungen mit Vertreterinnen und Vertretern der österreichischen Hochschulen und stellten Best-Practice-Beispiele vor. Die „Allianz Nachhaltige Universitäten in Österreich" bündelt Wissen um nachhaltige Lehre und Forschung und fördert deren Verankerung und Umsetzung in Universitätsmanagement und Gesellschaft.

In Übereinstimmung mit den Prioritäten des europäischen Aktionsplans für digitale Bildung umfasst der Digitale Wandel bei Erasmus+ u. a. die Entwicklung barrierefreier und hochwertiger digitaler Lernmöglichkeiten und die Weiterbildung von Lehrenden. Die Abwicklung des Programms im Hochschulbereich erfolgt großteils digital und vereinfacht die Verwaltung; siehe dazu den Absatz „Digitalisierung im Hochschulbereich, European Student Card Initiative“ am Ende dieses Abschnitts.

Im Sinne von Inklusion und Vielfalt steht Erasmus+ allen Menschen unabhängig von ihrem kulturellen, sozialen und ökonomischen Hintergrund offen – insbesondere Menschen mit geringeren Chancen. Im Jahr 2021 erarbeitete der OeAD gemeinsam mit zahlreichen Stakeholderinnen und Stakeholdern den Nationalen Plan für Inklusion & Vielfalt für die Programme Erasmus+ und Europäisches Solidaritätskorps (OeAD, 2021).

2022 feierte Erasmus+ sein 30-jähriges Bestehen in Österreich und 35 Jahre in Europa. Seit Juli 2022 ist eine 2-Euro-Sondermünze „35 Jahre Erasmus Programm“ erhältlich.

Erasmus+ im Hochschulbereich

Seit dem Programmstart obliegt die Verwaltung der Studierendenmobilität im Rahmen von Erasmus+ den Hochschulen und nicht mehr dem OeAD – analog zur Abwicklung in den anderen Mitgliedsstaaten. Die Hochschulen können flexibler auf die Bedürfnisse ihrer Studierenden eingehen; die nationale Agentur für Erasmus+ übernimmt weiterhin die Abwicklung mit den Hochschulen.

In der Leitaktion 1 – Lernmobilität von Einzelpersonen – bietet das Programm breite Mobilitätsmöglichkeiten: In Europa oder einem weltweiten Partnerland können Studierende Studienaufenthalte und Praktika von zwei bis zwölf Monaten absolvieren („Long-term Mobility“). In Verbindung mit einer virtuellen Komponente sind Kurzzeitaufenthalte und Kurzzeitmobilität für Doktoratsstudierende möglich („Blended Mobility“). Blended Intensive Programmes (BIP), kurze physische Gruppenmobilitäten, kombiniert mit einer virtuellen Phase, richten sich an Studierende und Hochschulmitarbeitende. Diese neuen Formate waren bis dato v. a. bei Personen beliebt, für die ein längerer Aufenthalt nicht möglich war (z. B. berufstätige oder betreuungspflichtige Studierende). Die Zahl der beantragten und genehmigten BIPs stieg von 43 (davon elf von öffentlichen Universitäten) in der Antragsrunde 2021 auf 88 in der Antragsrunde 2023 (davon 40 von öffentlichen Universitäten). Die Mobilität von Lehrenden und Hochschulmitarbeitenden wurde für eine Dauer von zwei Tagen (in Partnerländern: mindestens fünf Tagen) bis höchstens zwei Monate gefördert.
Zur Förderung von Mobilität über EU- und Partnerländer hinaus gibt es die „Key Action 131“ (KA131): Bis zu 20 % des jeweiligen Projektbudgets dürfen für Outgoing-Mobilität in nicht mit dem Programm assoziierte Drittstaaten verwendet werden („Mobilität in Europa mit eingeschränkter internationaler Outgoing-Komponente"). 

Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beeinträchtigten die Mobilitäten im Programm Erasmus+ massiv. Die EK legte 2021 bewusst einen Schwerpunkt auf Kooperationsprojekte. Die Mobilität verlagerte sich zeitweise stark in den virtuellen Raum. In den Jahren 2022 und 2023 stiegen die Antragszahlen für physische Mobilität wieder, was für den Wert physischer Aufenthalte spricht, um Sprache und Kultur vor Ort kennenzulernen. 2021 wurden rund 7.700 Mobilitätsvereinbarungen (Studierenden- und Personalmobilitäten) genehmigt; im Jahr 2023 waren es über 10.000.

Die Internationale Hochschulmobilität Key Action 171 (KA171), die Incoming- und Outgoing-Mobilität weltweit ermöglicht, startete 2022 und wurde von Beginn an – soweit es die Pandemie zuließ – gut angenommen. Das BMBWF stellte über diese Schiene zur strategischen Steuerung von Mobilität in bestimmten Ländern und Regionen zusätzliche nationale Mittel zur Verfügung. Im Rahmen des Aufrufs 2023 erhielten 37 Hochschuleinrichtungen eine Mobilitätsfinanzierung. 

Im Sinne der Chancengleichheit erhielten Studierende und Graduierte mit geringeren Chancen zusätzlich eine monatliche pauschale Förderung („Top-Up fewer opportunities“). Dieser Zuschuss richtete sich speziell an Personen mit einer Behinderung oder einer chronischen Krankheit sowie Studierende mit Kindern, die das Kind bzw. die Kinder zum Erasmus+-Aufenthalt mitnahmen. Real anfallende Mehrkosten konnten betreffende Teilnehmende in Form einer Inklusionsunterstützung beantragen. Finanziell benachteiligte Studierende konnten sowohl den regulären Erasmus+-Zuschuss als auch die „Beihilfe für ein Auslandsstudium“ gemäß StudFG erhalten.

Als Anreiz für mehr Klimabewusstsein und Nachhaltigkeit erhielten Studierende, die umweltfreundliche Verkehrsmittel für die An- und Abreise verwenden, die zusätzliche pauschale Förderung „Top-Up green travel“. Eine dadurch entstehende längere Reisezeit von bis zu vier Tagen war mit einem Erasmus+-Zuschuss förderbar.

Programmländer, die an Erasmus+ uneingeschränkt teilnehmen können, waren die EU-Mitgliedsstaaten und mit dem Programm assoziierte Drittländer (Nordmazedonien, Serbien, Island, Liechtenstein, Norwegen und Türkei). Partnerländer, also nicht mit dem Programm assoziierte Drittländer, konnten nach Vorgabe der einzelnen Aktionen eingeschränkt teilhaben. Mit dem Vereinigten Königreich (UK), das mit 31. Januar 2020 aus der Europäischen Union austrat, fiel ein sehr beliebtes Zielland für österreichische Studierende weg. Vor dem 31.12.2020 genehmigte Mobilitätsprojekte für Erasmus+-Mobilität in das bzw. aus dem UK konnten bis zu deren Abschluss (bis max. 2023) weiterhin finanziert werden. Im Programm Erasmus+ 2021–2027 ist eine sehr eingeschränkte Mobilität über das Projektbudget (max. 20 %) in nicht-assoziierte Länder möglich.

Anlässlich des Kriegs in der Ukraine wurden im Rahmen von Erasmus+ Maßnahmen gesetzt, um ukrainische Geflüchtete zu unterstützen. Die Aktion „Mobilität in Europa mit eingeschränkter internationaler Outgoing-Komponente" wurde für ukrainische Incoming-Studierende und -Personal geöffnet. Bei der „Internationalen Hochschulmobilität“ war es möglich, Fördergelder für Mobilitäten von bestimmten Regionen in das Budget der Ukraine zu verschieben.

Im Rahmen der Leitaktion 2 – Zusammenarbeit zwischen Organisationen und Institutionen – wurden die Exzellenzpartnerschaften „European Universities“, „Erasmus Mundus Joint Master's Degrees & Erasmus Mundus Design Measures“ sowie „Zentren der beruflichen Exzellenz“ verankert. Bei der „European Universities“-Initiative nahmen österreichische Hochschuleinrichtungen sehr erfolgreich teil (vgl. Abschnitt 11.1.2). In den anderen Exzellenzpartnerschaften, in den Aktionen „Innovationsallianzen“, „Capacity Building in Higher Education“ und bei den „Jean Monnet“-Maßnahmen wirkten österreichische Hochschulen erfolgreich mit. Der OeAD wickelte national die „Kooperationspartnerschaften“ ab, die die Programmprioritäten mit Projekten unterstützten.

Die Leitaktion 3 – Unterstützung der Politikentwicklung und der politischen Zusammenarbeit – trägt zu nationalen Reformen und Modernisierungen in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport bei. Das BMBWF unterstützte den Aufruf „Support to the implementation of EHEA“, der sich an entsprechende Ministerien richtete.

Erasmus+ Digitalisierungsprojekte – European Student Card Initiative

Teil der Umsetzung von Erasmus+ war die Etablierung einer europaweiten Technologiegrundlage. Die von der EK vorgegebene IT-Infrastruktur des Programms war zum Zeitpunkt der Berichtslegung nach wie vor unbefriedigend. Das „Beneficiary Module“, die Web-Datenbank zur Verwaltung und Berichterstellung von Erasmus+-Projekten ab Antragsjahr 2021, wurde z. B. erst mit größerer Verspätung eingeführt und blieb fehlerhaft.

Erasmus+ unterunterstützt u. a. Technologie-Projekte wie die European Student Card Initiative (ESCI) (s. UB 2020, Abschnitt 10.1.3). Primäres Ziel war es, das Erasmus+-Programm für die digitale Zukunft fit zu machen. Neben der Entwicklung und Nutzung von European Student Cards (ESC) steht die ESCI für einfache und sichere Online-Verwaltung für Hochschulen sowie erleichterte Studierendenmobilität über die Erasmus+-App.

Technische Probleme und mangelnde Interoperabilität prägten bis dato die Initiative Erasmus-without-paper (EWP): Interinstitutional Agreements (IIA) und elektronische Learning Agreements (LA) waren nach wie vor sehr zeitaufwändig und – entgegen dem ursprünglichen Ziel einer Verwaltungsvereinfachung – noch immer nicht für alle Seiten nutzbar. Das EWP-Konsortium hatte 2022 im Auftrag der EK Maßnahmen initiiert, um einen erfolgreichen digitalen Wandel zu ermöglichen: Dazu gehörten ein neues ESCI-Informationsportal bzw. ein EWP Statistics Portal, Webinare und „Town Hall Meetings“ für Beteiligte. Seit Herbst 2022 arbeitete eine neue EWP-Governance-Struktur zusammen mit relevanten Stakeholderinnen und Stakeholder an einer effektiven und erfolgreichen Digitalisierung der gesamten Erasmus+-Verwaltung. Das Ziel der EK, dass IIA und LA ab 1. Jänner 2023 nur noch elektronisch via EWP-Netzwerk möglich sein sollten, hielt aufgrund anhaltender Interoperabilitätsprobleme und mangels europaweiter „digital readiness“ nicht. Im Fall von technischen Problemen blieben IIA und LA in Papierform oder per E-Mail möglich.

Für den flächendeckenden Roll-out der ESC hatte die EK das Konsortium „NTT Data“ beauftragt. 2022 führte es Recherchen zu existierenden Studierendenkartensystemen und dem bisherigen Verbreitungsgrad der ESCs durch, u. a. das European Student Card Survey, das sich an Studierende und Hochschulen richtete. Eine Baseline-Study dazu soll veröffentlicht werden.

Die nationale Begleitgruppe zur ESCI im BMBWF diskutierte und monitorte regelmäßig ESCI-Themen; ESCI-Digital Officers des BMBWF und OeAD kommunizierten Herausforderungen für ESCI in Österreich regelmäßig an die europäische Ebene zurück.