10.1.3 Teilnahme am Programm Erasmus+

Das mittlerweile gut etablierte Programm Erasmus+ für Bildung, Jugend und Sport (2014–2020) ist ein fester Bestandteil der österreichischen Bildungslandschaft geworden und unterstützt die Internationalität im Bildungs- und Hochschulbildungswesen sowie die Förderung der europäischen Dimension. Es bietet die Chance, in einem anderen europäischen Land zu lernen, zu studieren, zu lehren, ein Praktikum zu absolvieren oder grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten. Seit 2015 ist dies nicht nur innerhalb Europas, sondern – v.a. im Hochschulbereich – weltweit möglich. In vollem Ausmaß am Programm teilnahmeberechtigt sind neben den
28 EU-Mitgliedstaaten auch Norwegen, Island, Liechtenstein, Nordmazedonien, die Türkei und Serbien. Je nach Aktion oder Programmmaßnahme können auch Partnerländer außerhalb der Europäischen Union teilnehmen. Erasmus+ umfasst folgende drei Leitaktionen mit verschiedenen Fördermaßnahmen (vgl. auch Universitätsbericht 2017):
•    Lernmobilität von Einzelpersonen
•    Zusammenarbeit zur Förderung von Innovation und zum Austausch von bewährten Verfahren
•    Unterstützung politischer Reformen
Diese drei Leitaktionen werden durch die Programme Jean Monnet, Jugend und Sport ergänzt.

Erasmus+ im Hochschulbereich
Voraussetzung zur Teilnahme einer Hochschuleinrichtung am Programm ist der Besitz einer gültigen Erasmus-Charta für Hochschulbildung, diese definiert den allgemeinen Qualitätsrahmen für europäische und internationale Mobilitätsund Kooperationsaktivitäten im Programm. Im Rahmen des Aufrufs 2021 für das Nachfolgeprogramm Erasmus+ mussten die Hochschuleinrichtungen bis Ende Mai 2020 um Erneuerung ihrer bereits existierenden Chartas bei der Europäischen Kommission ansuchen, diesem Aufruf sind 75 österreichische Einrichtungen gefolgt. Gleichzeitig haben zwei weitere Einrichtungen eine Charta neu beantragt. Studierende können einerseits einen anrechenbaren Teil ihres Studiums zwischen drei und zwölf Monaten an einer Erasmus+-Partnerhochschule verbringen, andererseits können Studierendenpraktika in einem Unternehmen, einer Forschungseinrichtung oder an einer sonstigen Organisation zwischen zwei und zwölf Monaten absolviert werden. Im Rahmen der Studierendenpraktika sind auch Mobilitäten für Graduierte möglich, sofern der Auslandsaufenthalt noch während der Studienzeit beantragt und innerhalb eines Jahres nach Abschluss des Studiums absolviert wird. Seit Beginn der Teilnahme am Erasmus-Programm (Studienjahr 1992/93 bis inklusive Studienjahr 2018/19) haben bereits mehr als 115.000 Studierende aus Österreich einen Erasmus-Auslandsaufenthalt absolviert, allein im Studienjahr 2018/19 waren es rund 7.000 Studierende (davon rund 4.700 Studienaufenthalte und 2.300 Praktika). Nach kontinuierlichen Steigerungen der Erasmus+-Studierendenmobilität in den Vorjahren konnte in den Studienjahren 2017/18 und 2018/19 keine weitere Erhöhung erreicht werden. Es gibt eine Vielzahl an möglichen Ursachen, wobei die unklare Situation in Bezug auf den BREXIT auch negative Auswirkungen gehabt hat. Das BMBWF hat diesem Trend entgegengesteuert und beginnend mit dem Studienjahr 2019/20 bei Erasmus+ bessere finanzielle Rahmenbedingungen für Studierende geschaffen. So wurden einerseits die monatlichen Erasmus+-Zuschüsse ab dem Studienjahr 2019/20 für alle aus Österreich hinausgehenden Studierenden um durchschnittlich 13– 20% je nach Zielland erhöht. Darüber hinaus können finanziell benachteiligte Erasmus-Studierende sowohl den vollen Erasmus+-Zuschuss als auch die „Beihilfe für ein Auslandsstudium“ gemäß StudFG erhalten. Damit wird die Möglichkeit eines Erasmus+-Auslandsaufenthalts für alle Studierenden noch attraktiver und leistbarer. Diese Maßnahmen haben bewirkt, dass im Studienjahr 2019/20 wiederum ein gestiegenes Interesse an Auslandsmobilitäten zu verzeichnen war. Die endgültigen Zahlen werden jedoch von der COVID-19-Pandemie beeinflusst werden. Die beliebtesten Zielländer für Erasmus-Studienaufenthalte waren 2018/19 Spanien, Frankreich, das Vereinigte Königreich und Italien. Studierendenpraktika wurden bevorzugt in Deutschland, Spanien und dem Vereinigten Königreich absolviert. Der Frauenanteil sowohl bei Studienaufenthalten als auch bei Studierendenpraktika betrug rund 64%. Erasmus+ bietet auch Lehrenden und administrativem Hochschulpersonal die Möglichkeit zu einem geförderten Lehraufenthalt bzw. bildungsrelevanten Auslandsaufenthalt im Rahmen ihrer Tätigkeit (Abschnitt 10.2.2). Mit fortschreitender Programmlaufzeit wird diese Möglichkeit von einer steigenden Zahl von Personen in Anspruch genommen, im Studienjahr 2018/19 bereits von rund 1.700 Personen aller an Erasmus+ teilnehmenden österreichischen Hochschuleinrichtungen. Im Rahmen der Internationalen Hochschulmobilität sind geförderte Auslandsaufenthalte für Studierende, Lehrende und Hochschulpersonal in Staaten außerhalb Europas möglich. Ebenso kann Studierenden- und Personalmobilität aus Partnerländern in Österreich gefördert werden. Zur strategischen Steuerung von Mobilität mit bestimmten Ländern und Regionen wurden sowohl im Studienjahr 2019/20 als auch 2020/21 im Rahmen der Internationalen Hochschulmobilität unter Erasmus+ zusätzliche nationale Mittel für Schwerpunktregionen zur Verfügung gestellt. Aufgrund dieser Mittel kann pro Studienjahr eine höhere Zahl an Mobilitäten gefördert werden, als dies nur mit EU-Mitteln möglich wäre. Im Rahmen des Aufrufs für 2020 konnten in dieser Aktion somit 34 Projekte genehmigt werden, dies bedeutet einen neuen Höchststand von 1.660 bewilligten Mobilitäten für Studienaufenthalte, Praktika sowie für Lehr- und Fortbildungszwecke (incoming und outgoing) weltweit. Beliebteste Partnerländer der österreichischen Hochschuleinrichtungen im Förderjahr 2020 sind Israel, Russland und Georgien. Großes gestiegenes Interesse bestand an Kooperationen mit afrikanischen Ländern wie Tansania, Südafrika, Mauritius und Äthiopien. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie hatten auch bei Erasmus+ großen Einfluss auf geplante bzw. bereits angetretene Mobilitäten im Sommersemester 2020. Insofern galt und gilt das Bestreben, größtmögliche Flexibilität bei der Umsetzung des Programms Erasmus+ anzuwenden. Die Europäische Kommission hat den Nationalagenturen Möglichkeiten eingeräumt, um Nachteile für Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Erasmus+-Programms so gering wie möglich zu halten. Studierende und Hochschulpersonal können sich zur Abmilderung von Ausgaben, die in Zusammenhang mit COVID-19 entstanden sind, auf die Regelungen zu „Höherer Gewalt“ (force majeure) berufen. Geplante und nicht angetretene Auslandsaufenthalte konnten verschoben werden, zugleich hatten Hochschuleinrichtungen die Möglichkeit, neue Mobilitäten zu planen. Europaweit haben viele Hochschulen auf E-Learning umgestellt und bieten Studierenden an, Lehrveranstaltungen weiter zu besuchen und Prüfungen online abzulegen. Zudem kann Studierenden im Rahmen einer Blended Mobility die Möglichkeit geboten werden, ihre Erasmus+-Aktivitäten virtuell zu beginnen und zu einem späteren Zeitpunkt, wenn es die Situation erlaubt, mit einer physischen Mobilität im Ausland fortzusetzen. Unter der Leitaktion 2 des Programms Erasmus+ können Hochschuleinrichtungen Projektanträge in den Aktionen „Erasmus Mundus Joint Master Degree“, „Wissensallianzen“ („Knowledge Alliances“), „Allianzen für branchenspezifische Fertigkeiten“ („Sector Skills Alliances“) und „Capacity Building in Higher Education“ einreichen. Außerdem können Projekte und Netzwerke im Rahmen der Aktion „Jean Monnet“ beantragt werden. Im Rahmen von Erasmus+-Aufrufen für das Jahr 2020 wurden zum zweiten Mal Pilotprojekte für die Entwicklung und Einrichtung von European Universities und erstmalig „Zentren für berufliche Exzellenz“ ausgeschrieben. Die oben genannten Maßnahmen sind zentrale Aktionen, d.h., dass die Anträge nach Einreichung bei der Europäischen Kommission sich dem europäischen bzw. internationalen Wettbewerb stellen müssen.

Abbildung 10.1.3-1: Erasmus-Studierendenmobilität (Studienaufenthalte und Studierendenpraktika), Studienjahre 1992/93 bis 2018/19

Quelle: Datawarehouse der OeAD-GmbH, Stichtag 30.4.2020

Die guten Ergebnisse in den bisherigen Auswahlrunden in allen Aktionen zeigen das stetige große Engagement der österreichischen Hochschuleinrichtungen; in allen Bereichen finden sich österreichische Beteiligungen und zumeist auch von Österreich koordinierte Projekte. Des Weiteren können Strategische Partnerschaften beantragt werden, wobei die Bewerbung, Auswahl und Vertragsabwicklung bei der österreichischen Nationalagentur Erasmus+ Bildung/OeAD-GmbH erfolgt. Zur Bewältigung der Herausforderungen der COVID-19-Krise hat die Europäische Kommission im Herbst 2020 einen zusätzlichen Erasmus+-Aufruf für Strategische Partnerschaften zum Thema „Förderung der Bereitschaft für digitale Bildung“ veröffentlicht, an dem auch Hochschuleinrichtungen teilnehmen können.

Ausblick auf das Nachfolgeprogramm Erasmus+ (2021–2027)
Die laufenden Trialogverhandlungen mit dem Europäischen Parlament zum Erasmus+-Nachfolgeprogramm werden derzeit von Deutschland weitergeführt. Offen ist noch die zukünftige finanzielle Ausstattung des Programms (Stand Oktober 2020). Die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament sind derzeit noch nicht abgeschlossen. Inhaltlich bleibt Erasmus+ ein integriertes Bildungsprogramm nach dem Grundsatz des lebenslangen Lernens, bestehend aus den Sektoren Allgemeinbildung, Berufsbildung, Hochschulbildung, Erwachsenenbildung, Jugend und Sport. Schwerpunkte des neuen Programms sind Inklusion, um mehr junge Menschen aus benachteiligten Verhältnissen zu erreichen, „Green Erasmus“ und Digitalisierungsmaßnahmen. Im Hochschulbereich sollen neue Mobilitätsformate eingeführt werden. Neben der „klassischen“ Mobilität von Studierenden und Personal (outgoing und incoming) sind Mobilitätsaktivitäten weltweit vorgesehen, des Weiteren Kurzzeitmobilitäten in Form von Blended Learning-Formaten für Studierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (outgoing und incoming) sowie kurze Mobilitätsaufenthalte für PhD-Studierende ab zwei Tagen. Außerdem wird die Internationale Hochschulmobilität weitergeführt. Die Mittel für die verschiedenen Mobilitätsaktivitäten werden den Hochschulen aus einem gemeinsamen Fördertopf zur Verfügung gestellt und können somit flexibel und bedarfsorientiert genutzt werden. Zudem sollen alle mit Mobilitätsaktivitäten zusammenhängende Abläufe und Verfahren vollständig digitalisiert werden. Aktuell laufen mehrere ineinandergreifende Projekte, die für das Nachfolgeprogramm Schnittstellen und Zugänge für alle Akteurinnen und Akteure bzw. die einzelnen Teilaspekte von Mobilitätsaktivitäten schaffen werden. Es ist für Hochschulen ein single entry point für alle Datenbankerfassungen vorgesehen. Seitens der Europäischen Kommission wurde daher eine Umstellung des Prozederes in Österreich mit Beginn des Nachfolgeprogramms gefordert. Der bisherige österreichische „Sonderweg“ einer teilweisen zentralen Verwaltung der Studierendenmobilität über die OeAD-GmbH kann somit im neuen Programm nicht mehr weitergeführt werden. Die Abwicklung der Prozesse, die im Rahmen der Studierendenmobilität bisher von der OeAD-GmbH durchgeführt wurden, erfolgen in Zukunft analog zu den anderen an Erasmus+ teilnehmenden Staaten direkt an den einzelnen Hochschuleinrichtungen. Die OeADGmbH begleitet und berät die Hochschuleinrichtungen bei der Umstellung. Zusätzlich wird das Nachfolgeprogramm Erasmus+ auch Exzellenzpartnerschaften in Form der Initiative European Universities, der „Zentren der beruflichen Exzellenz“ sowie von gemeinsamen Masterabschlüssen unterstützen. „Jean Monnet“-Maßnahmen, mit denen Studien zur europäischen Integration gefördert werden, sollen neben der Hochschulbildung auf andere Politikbereiche ausgeweitet werden.

Digitalisierung bei Erasmus+ – „European Student Card Initiative“
Die unter dem derzeit laufenden Programm Erasmus+ entstandene „European Student Card Initiative“ zielt darauf ab, die Mobilität durch eine Europäische Studierendenkarte zu erleichtern sowie sämtliche Prozesse im Zusammenhang mit Erasmus+ Mobilitätsaktivitäten im Hochschulbereich zu digitalisieren bzw. modernisieren und damit die Verwaltungslast zu reduzieren. Die Initiative kann in zwei große Blöcke geteilt werden:
•    die Verwaltungsprozesse der Erasmus-Mobilitätsaktivitäten
•    die „European Student Card“ samt Identifizierung und Authentifizierung der Studierenden.


In Bezug auf die Verwaltungsprozesse der Erasmus-Mobilitätsaktivitäten sind derzeit auf europäischer Ebene verschiedene Tools in Entwicklung, die im Erasmus+-Nachfolgeprogramm ab 2021 schrittweise eingeführt und verpflichtend zu verwenden sein werden. Allen voran sind hier der „Inter-Institutional Agreement-Manager“ und das „Online Learning Agreement“ zu nennen. Das „Erasmus without paper“-Netzwerk und die Erasmus+-App für Studierende sind weitere wichtige Teile in diesen Verwaltungsprozessen. Die „European Student Card“ soll die Identifizierung und Authentifizierung der Studierenden erleichtern sowie einen einfacheren Zugang zu Serviceeinrichtungen wie beispielsweise Bibliotheken oder Mensen ermöglichen. Dies soll durch eine physische „European Student Card“ und/oder eine virtuelle Card in der Erasmus+-Mobile-App erreicht werden. Mit Einführung einer „European Student e-ID“ soll der sichere Austausch von persönlichen Daten und erworbenen Qualifikationen möglich werden. Um die europäischen digitalen Entwicklungen für die Hochschuleinrichtungen – sei es technischer oder rechtlicher Natur – zu begleiten, waren im Rahmen der „European Student Card Initiative“ im Frühjahr 2019 jeweils ein Digital Officer der Nationalen Behörde (Vertreterin aus dem BMBWF) und der Erasmus+-Nationalagentur (Vertreterinnen und Vertreter der OeAD-GmbH) an die Europäische Kommission zu nennen. Die Digital Officers erfüllen die wichtige Funktion als Drehscheibe in der Kommunikation zwischen der Europäischen Kommission, betroffenen nationalen Ministerien, Nationalagentur und Hochschuleinrichtungen. Außerdem tauschen sie sich fallweise mit anderen Nationalagenturen und nationalen Behörden aus. Um aber einen gesamthaften Überblick über die Initiative zu erhalten, Handlungsfelder zu definieren und die daraus abzuleitenden notwendigen Schritte gemeinsam und abgestimmt setzen zu können, wurde eine nationale Begleitgruppe zur „European Student Card Initiative“ im BMBWF eingerichtet. Neben Expertinnen und Experten des BMBWF aus den Bereichen des Programms Erasmus+, IKT, Hochschulstatistik, Legistik und PädagogInnenausbildung sind auch Expertinnen und Experten des BMDW sowie der OeAD-GmbH eingebunden.