9.1.2 Nationale Umsetzung
2023 wurde das Gleichstellungsziel für Wissenschaft und Forschung (UG 31) im Rahmen der Wirkungsorientierung um die Studierenden erweitert: Ziel war, die „geschlechtstypische“ Studienwahl, v. a. in Bezug auf Technik und Informatik, abzubauen und vorhandene Potenziale im Interesse von Gesellschaft und Wirtschaft besser zu nutzen.
Der Hochschulplan (HoP) legte mit dem wirkungsorientierten Gleichstellungsziel kohärente Zielsetzungen zur Erhöhung der Frauenanteile in wissenschaftlichen/künstlerischen Führungspositionen und den Rektoraten fest. Bis 2030 soll bei den wissenschaftlichen/künstlerischen Mitarbeitenden Geschlechterparität erreicht werden; Laufbahnstellen sollen zu 40 % mit Frauen besetzt sein, Professuren zu 35 %. Der Rektorinnenanteil soll bis 2030 auf 40 % steigen. Der Frauenanteil an allen MINT-Erstabschlüssen an Universitäten und FH soll bis 2030 auf 30 % anwachsen.
Im Gesamtösterreichischen Universitätsentwicklungsplan (GUEP) 2025–2030 wurde die Gleichstellung konsequent als Querschnittsmaterie verankert: Er sieht ausgewogene Geschlechterverhältnisse in allen Positionen und Funktionen und die Berücksichtigung der Geschlechterperspektive in Prozessen, Forschung und Lehre vor. Die Systemziele zur Verbesserung der Qualität der Lehre (3) und zur Förderung des wissenschaftlichen/künstlerischen Nachwuchses und der Gleichstellung (4) widmen sich der Thematik dezidiert. Die FTI-Strategie 2030 hat das Ziel, den Frauenanteil der Graduierten in technischen Fächern bis 2030 um 5 % zu steigern – u. a. durch Attraktivierung der Studien und Verbesserung der Studierbarkeit. Maßnahmen zur Erleichterung des Übergangs setzen an der Schnittstelle Schule/Hochschule, an der junge Frauen häufig eine weiterführende MINT-Bildung abwählen, an. Für wissenschaftliche bzw. künstlerische Karrieren sollen lebensphasenbezogene Leitbilder entwickelt werden, die neben der Forschung Leistungen in der Lehre, universitären Entwicklung und Wissenschaftskommunikation berücksichtigen. Die Leitbilder, Vereinbarkeitsmaßnahmen und die Verbreiterung der Genderkompetenz (vgl. BMBWF, Verbreiterung der Genderkompetenz in hochschulischen Prozessen. Empfehlungen der Hochschulkonferenz, 2018 [BMBWF, 2018b]) sollen den Frauenanteil bei den Laufbahnstellen und Professuren sukzessive erhöhen.
Die universitäre Entwicklungsplanung ist ein strategisches Instrument für die Universitäten, das eng an den GUEP und die universitären Leistungsvereinbarungen (LV) gekoppelt ist. Die Universitäten legen in den Entwicklungsplänen die strategischen Vorgaben des BMBWF auf hochschulinterne Zielsetzungen um. Der überarbeitete Leitfaden zur Entwicklungsplanung 2022 verankerte die Gleichstellungs- und Diversitätsthematik als Querschnittsmaterie in den Bereichen Personal/Human Resources, Forschung/EEK, Lehre und Gesellschaftliche Verantwortung; die Gleichstellungspolitiken entwickelten ihren Fokus von Geschlechtergleichstellung hin zu einer intersektionalen Perspektive weiter. Das Thema geschlechterbasierte Gewalt wurde in den Leitfaden aufgenommen.
UniNEtZ – Optionenbericht zu SDG 5 erstellt
Im Berichtszeitraum erarbeiteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Kunstschaffende aus österreichischen Universitäten und Partnerinstitutionen im Projekt UniNEtZ Optionen für die österreichische Bundesregierung zur Umsetzung der SDGs bis 2030. Die zentralen Anliegen des SDG 5 (Gender Equality bzw. Geschlechtergerechtigkeit) sind Geschlechtergleichstellung und Selbstbestimmung für alle Frauen und Mädchen. Unter Patenschaft der TU Wien wirkten BOKU, JKU, KUG, UMS, mdw, Angewandte, UWK und WU an der Erstellung des Berichts mit; er wurde im März 2022 an die österreichische Bundesregierung übergeben. Inhalte und Empfehlungen von SDG 5 konzentrieren sich auf:
- die kurzfristige Verringerung und die langfristige Abschaffung von Lohn- und Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen
- die paritätische Umverteilung von kinderbezogenen Betreuungs- und Versorgungsaufgaben
- eine gender- und diversitätssensible Mediengestaltung als Kriterium der Medienförderung
- die flächendeckende Verankerung von gendersensibler Elementarpädagogik
Um dem Thema Nachdruck zu verleihen, wurden die SDG-5-Empfehlungen im Dezember 2022 im Parlament präsentiert.
Geschlechtervielfalt im Universitätsgesetz
Dem VfGH-Erkenntnis G 77/2018-9 zum Recht intersexueller Menschen auf eine adäquate Eintragung im Personenstandsregister wurde im Universitätsbereich legistisch mehrfach nachgekommen. Im Rahmen einer UG-Novelle 2021 wurde z. B. in den Leitenden Grundsätzen und in den Aufgaben der Universitäten der Wortlaut auf „Gleichstellung der Geschlechter“ statt „Gleichstellung von Männern und Frauen“ geändert.
Das BMI nahm im September 2020 auf Basis des VfGH-Erkenntnisses einen zweiten Erlass („Durchführungsanleitung hinsichtlich des Eintrags des Geschlechts“) zur Geschlechtseintragung (BMI-VA1300/ 0415/III/3/b/2019) vor. Er sieht sechs Eintragungsoptionen vor (alphabetisch): divers, inter, keine Angabe, männlich, offen, weiblich. Bezüglich der statistischen Erfassung im Personenstandsgesetz bzw. der im BMI-Erlass 2020 festgelegten sechs Geschlechtsoptionen wurde die Universitäts- und Hochschulstatistik- und Bildungsdokumentationsverordnung – UHSBV § 13 Abs. 3 wie folgt adaptiert: „Zur Codierung des Geschlechtes sind folgende einstellige Codierungen zu verwenden: 1. „M“ für männlich, 2. „W“ für weiblich, 3. „X“ für divers, 4. „O“ für offen, 5. „I“ für inter und 6. „K“, wenn von jeglicher Geschlechtsangabe abgesehen wurde, wobei das jeweilige Geschlecht aus den vorgelegten in- oder ausländischen Personenstandsurkunden, Reisepässen oder Personalausweisen zu übernehmen ist. Ist in den ausländischen Personenstandsurkunden, Reisepässen oder Personalausweisen eine andere als in den Z. 1 bis 6 vorgesehene Codierung enthalten, ist die Codierung „X“ zu verwenden.“