Die Universitäten sind die zentralen Akteurinnen der Wissenschafts- und Demokratievermittlung und eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Thema der Integrität im wissenschaftlichen und künstlerischen Studien-, Lehr- und Forschungsbereich sowie der guten wissenschaftlichen Praxis (GWP) ist eine wesentliche Voraussetzung für das Vertrauen in die Wissenschaft.
Eine Form wissenschaftlichen Fehlverhaltens, das Plagiat und der Umgang der öffentlichen Universitäten damit, wurde, im Rahmen einer vom BMBWF beauftragten Studie (vgl. Zucha/Droll, 2021), vom IHS untersucht. Eines der Ziele dieser Studie war die Erstellung eines Lagebilds der Plagiatsprävention und -prüfung an den Hochschulen. Die Studienergebnisse (vgl. Zucha/Engleder, 2022) wurden veröffentlicht und zeigen, dass Plagiatsvermeidung im Studium derzeit eher „technikzentriert“ umgesetzt wird. Zum einen stehe die nachträgliche Überprüfung studentischer Arbeiten durch Plagiatssoftware stark im Vordergrund, zum anderen das Erlernen von Zitierregeln. Dabei komme zu kurz, dass GWP auch als eine Grundhaltung zu verstehen ist. Es brauche einen lebendigen Diskurs nicht nur darüber „wie“, sondern auch „warum“ wissenschaftlich redlich gearbeitet werden soll.
Zahlreiche Maßnahmen der Universitäten sollen wissenschaftliches Fehlverhalten im Studium vermeiden: Drei Viertel der Hochschulen, die an der Studie teilgenommen haben, haben eine eigene für GWP oder Plagiatsvermeidung verantwortliche Person oder Organisationseinheit vorgesehen. Fast alle Hochschulen haben hochschulweit gültige GWP-Richtlinien. Diese werden vorzugsweise über das Intra-/Internet verbreitet und sollen in Kursen vermittelt werden. Neun von zehn Hochschulen stellen Plagiatssoftware zur Überprüfung von studentischen Arbeiten zur Verfügung.
Auch zeigen die Studienergebnisse, dass es bereits ein breites Angebot an entsprechenden Lehrveranstaltungen für Studierende zur Vorbereitung auf das wissenschaftliche Arbeiten gibt. Nicht alle Lehrveranstaltungen sind jedoch im verpflichtenden Teil der Curricula verankert.
Von Jänner 2022 bis Juni 2023 wurde am Zentrum für österreichisches und europäisches Hochschulrecht sowie Hochschulgovernance der KFU Graz eine rechtsvergleichende Studie zum Thema „Rechtliche Folgen von Plagiaten an Universitäten“ vom BMBWF beauftragt und durchgeführt (Poier et al., 2023). Diese soll legistische Anknüpfungspunkte für Rechtsfolgen bei Plagiaten aufzeigen, indem sie einen rechtsvergleichenden Überblick über rechtliche Folgen von Plagiaten von Studierenden in Europa liefert und in einen österreichischen legistischen Zusammenhang stellt. Untersucht wurden dabei 37 Hochschulgesetze der Länder der Europäischen Union, ergänzt um Island, Norwegen, England und der Schweiz. Im Rahmen der Studie wurde festgestellt, dass von einem europäischen Grundkonsens hinsichtlich des Bedeutungskerns von Plagiaten auszugehen ist, der besagt, dass ein Plagiat darin besteht, dass fremde Ideen bzw. Texte als eigene ausgewiesen werden. Da Plagiate wesentlich Fragen der akademischen bzw. wissenschaftlichen Integrität und Redlichkeit betreffen würden, seien konzise rechtliche Regelungen schwierig (vgl. Poier et al., 2023, 138). Umso wichtiger sei es daher, Rahmenbedingungen zu gestalten, in denen GWP von Anfang an vermittelt werden könne. Die Studie fasst die Ergebnisse in drei konkreten Empfehlungen und Schlussfolgerungen zusammen (vgl. Poier et al., 2023, 140-141):
In § 116 Universitätsgesetz 2002 (UG) wurden die Strafbestimmungen zur vorsätzlichen unberechtigten Führung von akademischen Graden als Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von bis zu € 15.000 definiert.
Zudem wurde die Regelung gemäß § 116a UG zum Thema Ghostwriting eingefügt. In diesem Paragraphen wird Ghostwriting definiert und entsprechende Verwaltungsstrafbestimmungen ausformuliert. Ghostwriting liegt demnach vor, wenn jemand entgeltlich oder unentgeltlich ein Werk für eine andere Person herstellt oder es einer anderen Person zur Verfügung stellt, und weiß oder annehmen kann, dass dieses Werk in der Folge teilweise oder zur Gänze als Seminar-, Prüfungs-, oder Abschlussarbeit (Bachelorarbeit, wissenschaftliche oder künstlerische Arbeit) zum Nachweis nicht erbrachter eigenständiger Leistungen verwendet werden soll. Es ist eine Geldstrafe von bis zu € 25.000 vorgesehen. Wenn die Täterin oder der Täter mit dem Vorsatz handelt, sich durch wiederkehrende Begehung solcher Taten laufende Einkünfte zu verschaffen, droht ihr oder ihm eine Geldstrafe von bis zu € 60.000. Im Wiederholungsfall ist auch eine bis zu vier Wochen andauernde Freiheitsstrafe möglich.
Zukünftig wird die GWP unter besonderer Beachtung der Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) und neuer Technologien ein zentrales Thema in der Hochschulgovernance darstellen. Dabei sollen Standards im Umgang mit GWP definiert und umgesetzt werden. Aufbauend auf den bestehenden Strukturen, soll die Einrichtung zentraler Anlaufstellen für GWP an den Universitäten erörtert werden (Organisationsstandards). Ziel ist eine Bündelung der Kenntnisse und Nutzung von Synergien bezüglich GWP, der Entwicklung von relevanten Verfahrensrichtlinien (Regulierungsstandards), sowie der Handhabe von KI Datenbanken und Software zur Unterstützung des Lehr- und Studienbetriebs (Technologiestandards). Neben Informationsmaßnahmen (Informations- und Transparenzstandards) und verpflichtenden Schulungsangeboten für Mitarbeitende (Trainingsstandards) sowie obligatorischen Lehrveranstaltungen zur GWP (Lehre-Standards), sollen Maßnahmen im Zusammenhang mit der GWP zur Qualitätssicherung in hochschulinterne Qualitätsmanagementsysteme eingebettet werden. Besondere Beachtung sollte dabei der Begleitung von wissenschaftlichen Arbeiten zukommen (Betreuungsstandards).
Im Berichtszeitraum wurde durch die Novelle (BGBl. I Nr. 93/2021) die GWP in § 51 Abs. 2 Z 33 UG wie folgt definiert: „Gute wissenschaftliche Praxis bedeutet, im Rahmen der Aufgaben und Ziele der jeweiligen Einrichtung die rechtlichen Regelungen, ethische Normen und den aktuellen Erkenntnisstand des jeweiligen Faches einzuhalten.“ Ebenso wurde die Sicherstellung guter wissenschaftlicher Praxis und akademischer Integrität in den leitenden Grundsätzen gemäß § 2 UG verankert. Im Rahmen des geplanten Hochschulrechtspakets ist vorgesehen, die Definition und Ausgestaltung der GWP zu überarbeiten.
Im ersten Halbjahr 2024 soll im Zuge des Hochschulrechtspakets die Integrität im wissenschaftlichen und künstlerischen Studien-, Lehr- und Forschungsbereich im Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz (HS-QSG) verankert werden. Diese umfasst die Einhaltung guter wissenschaftlicher und künstlerischer Praxis sowie eine Kultur der wissenschaftlichen und künstlerischen Redlichkeit und Qualität. Der Begriff der „Integrität im wissenschaftlichen und künstlerischen Studien-, Lehr- und Forschungsbereich“ ist bewusst umfassend gewählt, um sowohl das Verhalten von Studierenden im Studium, von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bzw. Forscherinnen und Forschern bei der Planung, Durchführung und Veröffentlichung von Forschung und von Lehrenden bei der Betreuung und Prüfung von Studierenden abzudecken.
Die Neugestaltung im HS-QSG soll dabei insbesondere zwei Aspekte abdecken. Einerseits soll dadurch eine Vereinheitlichung und Konsolidierung der Regelungen für alle Hochschulsektoren erfolgen. Andererseits soll eine vorangestellte positive Definition der guten wissenschaftlichen und künstlerischen Praxis mit darauffolgender Aufzählung dessen, was jedenfalls als wissenschaftliches oder künstlerisches Fehlverhalten zu qualifizieren ist, dazu beitragen, ein Verständnis für die Bedeutsamkeit guter wissenschaftlicher und künstlerischer Praxis zu befördern sowie eine Sensibilisierung dafür zu schaffen, dass die Vermeidung von wissenschaftlichem oder künstlerischem Fehlverhalten im Interesse aller Beteiligten liegt.
Eine noch stärkere Integration dieser - für die Wissenschaft elementare Thematik - in die Hochschulorganisation, die Forschung, die Lehre und somit in den Studierendenalltag soll zu einer stärkeren Bewusstseinsbildung bei den Studierenden, Forschenden und Lehrenden führen und hohe Standards in diesem für die Aufgabenerfüllung der Universitäten wesentlichen leitenden Grundsatz sicherstellen.