1.1.5 Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie

Spätestens die Eurobarometer-Umfrage vom November 2021 (European Commission, 2021) machte deutlich, dass in Österreich mehr getan werden muss, um das Vertrauen in Wissenschaft und Demokratie zu stärken. So zeigte sich die österreichische Bevölkerung insbesondere bei ausgewählten Fragen des 2021 Eurobarometers der Wissenschaft gegenüber im EU-27-Vergleich besonders ablehnend oder distanziert (Kernenergie oder Gentechnik), jedoch äußerte sie sich zu den erwarteten Auswirkungen von erneuerbaren Technologien oder Impfstoffen ähnlich positiv wie der EU-27-Durchschnitt. 

Grund genug für Bundesminister Martin Polaschek das Thema „Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie“ bereits im Sommer 2022 zum Schwerpunkt seiner Amtszeit zu machen. Als ersten Schritt veranlasste er eine Studie zum Thema, die das Institut für Höhere Studien (IHS, https://www.ihs.ac.at/de/) durchführte. Die Ergebnisse wurden unter dem Titel „Ursachenstudie zu Ambivalenzen und Skepsis in Österreich in Bezug auf Wissenschaft und Demokratie“ (Starkbaum et al., 2023) beim Europäischen Forum Alpbach 2023 präsentiert. 

Die Ursachenstudie zeigte: 

  1. Wissenschaftsskepsis ist ein Wert, der schwer zu erheben ist. Es handelt sich um ein vielschichtiges Phänomen, das verschiedene Formen von Kritik umfasst.
  2.  Die Studie definiert Wissenschaftsskepsis als die systematische und unbegründete Ablehnung von Wissenschaft über mehrere Bereiche hinweg, die undifferenziert pauschal erfolgt. In Summe stimmen rund 10 % zwei, drei, oder vier Gegenkonsens-Aussagen zu. 9 % stimmen drei zu. Lediglich 1 % stimmen vier Aussagen zu und sind als „systematische Skeptikerinnen bzw. Skeptiker zu bezeichnen Es gibt aber keine leicht identifizierbare „wissenschaftsskeptische“ Bevölkerungsgruppe. 
  3. Eine wissenschaftsskeptische Einstellung ist nicht klar mit Interesse oder Desinteresse an Wissenschaft verbunden. 
  4. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Wissenschafts- und Demokratieskepsis. Kritik an Wissenschaft betrifft oftmals die Schnittstellen zu Politik, Medien und Wirtschaft sowie den Einfluss dieser Gesellschaftsbereiche auf Inhalte und Ausrichtung von Forschung. Deshalb ist es wichtig, entlang der gesamten Bildungskette – von der Elementarpädagogik über Schule, Studium und Forschung bis hin zur Erwachsenenbildung – zielgruppengerechte und effiziente Maßnahmen zu setzen, um der Wissenschafts- und Demokratieskepsis entgegenzuwirken. Ein wesentlicher Schritt ist die Vernetzung von und der Austausch zwischen Wissenschafts- und Demokratievermittlerinnen und -vermittlern in Wissenschaft und Forschung. Am 22. September 2022 veranstaltete das BMBWF daher die erste Vernetzungskonferenz zur Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie, an der mehr als 400 Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung teilnahmen. Daraus entstand eine institutionsübergreifende mehrere tausend Mitglieder umfassende Community in Österreich, die sich regelmäßig austauscht. 

Die auf der Konferenz diskutierten Themen flossen zudem in die Ressortstrategie des BMBWF ein, das sogenannte 10-Punkte-Programm zur Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie.  Sie legte den Fokus in ihrer Ursprungsfassung auf folgende Bereiche, wird seither aber laufend erweitert. 

  • Die Initiative der Wissenschafts- und Demokratiebotschafterinnen und -botschafter entstand im Frühjahr 2023 mit dem Ziel, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gezielt für Vorträge an Schulen zu holen. Nach rund einem Jahr Laufzeit gab es bereits 460 solcher Wissenschafts- und Demokratiebotschafterinnen und -botschafter. Sie berichten Schülerinnen und Schülern ehrenamtlich im Rahmen von individuellen Besuchen oder fertig vorbereiteten Workshops von ihrer täglichen Arbeit in Labor, Hörsaal, Feldforschung oder Klinik. Bei der Umsetzung unterstützt das BMBWF sowohl die Lehrkräfte als auch die teilnehmenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Leitfäden und hat insbesondere  spezielle Unterrichtsmaterialien für die Primarstufe und die Sekundarstufe ausarbeiten lassen (OeAD, 2023c). Der Verein Science Center Netzwerk bot  – ebenfalls im Auftrag des BMBWF – Coachings sowie Austausch- und Netzwerktreffen für Wissenschafts- und Demokratiebotschafterinnen und -botschafter (Verein Science Center Netzwerk, 2023). Abgewickelt wird die Initiative über den OeAD, die Agentur für Bildung und Internationalisierung (OeAD, 2023d).
  •  Initiative „Wissenschaft trifft Schule“ – Etablierung einer Wissenschaftswoche: Die Wissenschafts- und Demokratiebotschafterinnen und -botschafter spielten auch bei der ersten Wissenschaftswoche von 12. bis 16. Juni 2023 eine zentrale Rolle. Teilnehmen konnten alle Polytechnischen Schulen in Österreich. Engagierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gaben den Schülerinnen und Schülern – vorwiegend in Onlineworkshops – Einblicke in ihre Forschungsthemen und -arbeit. Mehr als 400 Schulklassen nutzten die Möglichkeit. Die Initiative wird 2024 fortgesetzt und voraussichtlich ausgeweitet. 
  • Erstellung eines Info-Portals für Wissenschafts- und Demokratievermittlungsangebote: Gemeinsam mit der TU Graz arbeitet das BMBWF derzeit an einem Info-Portal für Wissenschafts- und Demokratievermittlungsangebote. Eltern, Schülerinnen und Schüler, sowie pädagogisches Personal können Angebote nach Alter, Fachrichtung und Region suchen. Den Anfang macht die Modellregion Steiermark: Zu den Angebotsträgerinnen und Angebotsträgern zählen Universitäten, andere Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Museen und Organisationen, die Workshops, Veranstaltungen, Seminare oder Labore anbieten. Hauptzielgruppe in der 1. Projektphase sind Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte. Die Datenbank wird im Laufe des Jahres 2024 online gehen und gehen und sukzessive weiter ausgebaut werden.

Als zentrale Kommunikationsmaßnahme ließ das BMBWF übrigens die Dachmarke „DNAustria“ entwickeln. Unter der und über die Webseite www.dnaustria.at werden seit Frühjahr 2024 sämtliche Aktivitäten zur Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie gebündelt. Die Zielrichtung der Ressortstrategie – den Menschen den Stellenwert von Wissenschaft für ihr Leben und die demokratische Gesellschaft zu vermitteln – bleibt dieselbe. 

Ausblick: Schwerpunkt Wissenschaftsvermittlung und -kommunikation für die LV-Periode 2025–2027

Das ist auch der Grund, weshalb Wissenschafts- und Demokratievermittlung – und in Folge Wissenschaftskommunikation – zentrale Schwerpunkte in den Leistungsvereinbarungen für 2025 bis 2027 darstellen, die teilweise schon im 10-Punkte-Programm enthalten sind:

  •  Stärkere Verankerung von Wissenschafts- und Demokratievermittlung in den Curricula an allen Hochschulen: Alle Studierenden sollen im Laufe des Studiums mit Wissenschaftsvermittlung und -kommunikation in Berührung kommen. Sie sind entscheidende Multiplikatorinnen und Multiplikatoren von Verständnis für und Vertrauen in Wissenschaft. In welcher Form die Umsetzung erfolgt legen die autonomen Hochschulen selbst fest – im Rahmen von bestehenden oder neuen Lehrangeboten.
  • Wissenschafts- und Demokratievermittlung in der Pädagoginnen- und Pädagogenbildung: Lehrerinnen und Lehrer sollen darin bestärkt werden, Wissenschafts- und Demokratiekompetenz in ihrer Arbeit in der Schule zu vermitteln. Daher Universitäten und Pädagogischen Hochschulen werden diesen Anspruch in der Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen, die sie für die Sekundarstufe gemeinsam verantworten, verstärkt aufgreifen. Außerdem erhalten Lehrerinnen und Lehrer Fort- und Weiterbildungsangebote an den PH.
  •  Anreize für Forschende – Neubewertung von Leistung in Wissenschaft und Forschung: Forschende benötigen Anreize und entsprechenden Freiraum, sich um Wissenschaftsvermittlung kümmern zu können. Die Universitäten sind als Arbeitgeberinnen gefordert, solches Engagement im Zuge von wissenschaftlichen Karrierewegen entsprechend wertzuschätzen.