Das 9. EU-Forschungsrahmenprogramm HEU läuft von 2021 bis 2027 und stellt € 95,5 Mrd. für Forschung und Innovation bereit, wobei österreichische Einreichungen beim Vorgängerprogramm Horizon 2020 insgesamt knapp € 2 Mrd. erhielten.
Im Vergleich zu Horizon 2020 blieb die Säule 1 im HEU-Programm mit den themenoffenen Programmen ERC, MSCA und FI weitgehend unverändert. In Säule 2 (Globale Herausforderungen und Industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas) wurden die bisherigen Themen in sechs thematische Cluster zusammengefasst, worin die stärkere Kooperation zwischen dem akademischen und dem unternehmerischen Sektor im Fokus stand.
Die zweite Runde von HEU brachte den Ausbau des Europäischen Innovationsrats (engl. European Innovation Council - EIC) und die Einführung von EU-Missionen: Innerhalb eines vorgegebenen Zeit- und Budgetrahmens sollen konkrete, messbare Lösungen für große gesellschaftliche Fragen erarbeitet werden. Alle Missionen sind mit mindestens zwei der sechs thematischen Cluster von Säule 2 verbunden.
Die Europäischen Partnerschaften wurden in HEU umstrukturiert und reduziert (von über 100 auf 48): Europäische und nationale Fördermittel sollen wirksamer und in Abstimmung mit den Clustern und EU-Missionen eingesetzt werden können.
Abbildung 6.4.2-1: Struktur von „Horizon Europe“
Quelle: Europäische Kommission/FFG
Der österreichische Wissenschafts- und Forschungsstandort profitierte durch die erfolgreichen Beteiligungen österreichischer Akteurinnen und Akteure an HEU entscheidend vom Europäischen Forschungsraum.
Die im August 2023 erhobenen Daten zeigen, dass Österreich mit über 1.600 Beteiligungen und 270 Koordinationen an jedem achten Projekt der bisherigen Ausschreibungsrunden beteiligt war. Insgesamt entfielen auf österreichische Organisationen über € 740 Mio. bzw. 3,2 % der Förderzusagen (s. Tabelle 6.4.2-1).
Tabelle 6.4.2-1: Österreichische Performance in den EU-Forschungsrahmenprogrammen
Quelle: EU-PM (Europäische Kommission), Datenstand 8/2023, Aufbereitung EU-PM
Von den 1.632 Beteiligungen entfielen 464 auf heimische Universitäten: Sie erhielten über € 250 Mio. aus der europäischen Förderschiene für Forschungsprojekte.
Tabelle 6.4.2-2: Horizon Europe – österreichische Beteiligungen nach Organisationstyp
Anmerkung: Unter den privatwirtschaftlichen Unternehmen sind 230 Beteiligungen der Kategorie KMU zugeordnet. Die Zuordnung „KMU“ ist eine Selbsteinstufung der Organisationen.
Quelle: EU-PM (Europäische Kommission), Datenstand 8/2023, Aufbereitung EU-PM
Wie in den vorangegangenen EU-Forschungsrahmenprogrammen verzeichneten Uni Wien und TU Wien die meisten Beteiligungen und Teilnahmen als Projektkoordinatorinnen. BOKU, LFU Innsbruck und MUW zählten ebenfalls zu den Universitäten mit einer hohen Zahl an Beteiligungen und Koordinationen (vgl. Tabelle 6.4.2-3).
Tabelle 6.4.2-3: Horizon Europe – Beteiligungen der einzelnen österreichischen Universitäten (Beteiligungen und davon Koordinationen)
Quelle: EU-PM (Europäische Kommission), Datenstand 8/2023, Aufbereitung EU-PM
Abbildung 6.4.2-2 zeigt die Beteiligung österreichische Universitäten in der Säule „Wissenschaftsexzellenz“, insbesondere bei den Förderprogrammen ERC, Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen (MSCA) und Forschungsinfrastrukturen. Bei MSCA und RIS zeichnen die öffentlichen Universitäten für die Hälfte der Beteiligungen verantwortlich, beim ERC für knapp zwei Drittel.
Abbildung 6.4.2-2: Horizon Europe – österreichische Beteiligungen in der Säule „Wissenschaftsexzellenz“
Anmerkung: ERC: European Research Council; MSCA: Marie Skłodowska-Curie Aktionen; RIS: Research Infrastructures
Quelle: EU-PM (Europäische Kommission), Datenstand 8/2023, Aufbereitung EU-PM
Bei den österreichischen Beteiligungen in der Säule „Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas“ sind privatwirtschaftliche Unternehmen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen stark vertreten. Sehr präsent sind die nationalen Universitäten in den Clustern „Gesundheit“, „Kultur, Kreativität und inklusive Gesellschaft“ und „Lebensmittel und natürliche Ressourcen“ (vgl. Abbildung 6.4.2-3).
Abbildung 6.4.2-3: Horizon Europe – österreichische Beteiligungen in der Säule „Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas“
Anmerkung: HEALTH: Health; CCIS: Culture, creativity and inclusive society; CSS: Civil Security for Society; DIS: Digital, Industry and Space; CEM: Climate, Energy and Mobility; FOOD: Food, Bioeconomy Natural Resources, Agriculture and Environment
Quelle: EU-PM (Europäische Kommission), Datenstand 8/2023, Aufbereitung EU-PM
Mit der Einrichtung des ERC 2007 engagierte sich die EU erstmals systematisch in der Förderung der Grundlagenforschung in allen wissenschaftlichen Disziplinen. HEU bildet im Sinne der Wissenschaftsexzellenz das zentrale Förderinstrument für themenoffene Pionierforschung: Es vergibt personengebundene Grants nach dem alleinigen Kriterium der wissenschaftlichen Exzellenz sowohl des Forschungsvorhabens als auch der antragstellenden Person. Die maximal fünfjährige Förderung kann zum Auf- oder Ausbau von Forschungsgruppen an Standorten in Europa verwendet werden und ermöglicht v. a. exzellenten Nachwuchsforschenden Unabhängigkeit; Forschende können ihre Grants an andere Forschungseinrichtungen in EU-Mitgliedsstaaten sowie HEU-assoziierten Staaten mitnehmen. ERC-Grants haben sich durch ihren hochkompetitiven Charakter als prestigeträchtige Auszeichnungen für wissenschaftliche Exzellenz und als Qualitätsmaßstab für Forschungsvorhaben international etabliert.
Jährlich werden Grants in drei zentralen Programmschienen vergeben:
Der ERC vergibt die Zusatzförderung „Proof of Concept“ für die Ausschöpfung des Innovationspotenzials von Ideen und Erfindungen, die durch ERC-Projekte entstanden.
Österreichische Akteurinnen und Akteure lukrierten zum Datenstand Dezember 2022 insgesamt 307 ERC-Grants, davon 82 im Rahmen von HEU; sie reflektieren international kompetitive Spitzenforschungsbereiche in der heimischen Forschungslandschaft. Mehr als die Hälfte der ERC-Projekte waren bzw. sind fortlaufend an Universitäten angesiedelt. Per August 2023 waren 15 Universitäten bei der Einwerbung von ERC-Grants erfolgreich. Die Uni Wien hatte 97 Projekte, die TU Wien 36, die LFU Innsbruck 27 (vgl. Tabelle 6.4.2-4).
European Research Council – Beteiligung der österreichischen Universitäten
Tabelle 6.4.2-4: ERC-Grants an österreichischen Universitäten seit 2007
Anmerkung: Nur ERC-Principal Investigators mit Starting Grant, Consolidator Grant und Advanced Grant.
Quelle: Europäische Kommission, Datenstand 8/2023, Aufbereitung EU-PM
Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen
Die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen (MSCA) bilden gemeinsam mit dem ERC und den Maßnahmen im Bereich Forschungsinfrastrukturen einen Teil der Säule „Wissenschaftsexzellenz“. Ihre Ziele sind:
Die Maßnahmen umfassen Förderungen für internationale Netzwerke zur Doktorandinnen- und Doktorandenausbildung (Doctoral Networks), Einzelförderungen für erfahrene Forschende bzw. Postdocs im Ausland (Postdoctoral Fellowships), Personalaustauschprogramme (Staff Exchange) sowie Kofinanzierungen für Doktorats- und Postdoc-Programme (COFUND). MSCA tragen durch die Förderung exzellenter Forschungsprojekte sowie europäischer, internationaler und intersektoraler Mobilität und Forschungskooperation zur Karriereentwicklung von Doktoranden und Postdocs bei.
Insgesamt ist das MSCA-Programm für die österreichische FTI-Landschaft, v. a. für die Universitäten, von großer Bedeutung. Österreichische Universitäten weisen in HEU derzeit insgesamt 309 erfolgreiche Beteiligungen, 83 erfolgreiche Koordinationen und ein Gesamtfördervolumen von € 159 Mio. auf. Das MSCA-Programm macht rund 29 % aller Beteiligungen, 43 % aller Koordinationen und 11 % aller Förderungen der Universitäten aus und stellt somit einen wesentlichen Beitrag zur Internationalisierung dar.
Tabelle 6.4.2-5: Beteiligungen der österreichischen Universitäten in den Förderschienen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen
Quelle: Europäische Kommission, Datenstand 8/2023, Aufbereitung EU-PM
EU-Missionen
Die Missionspolitik von HEU will mit gezielten Bildungs-, Forschungs- und Innovationsmaßnahmen die Suche nach gesellschaftlich tragfähigen Lösungen beschleunigen: Die fünf Missionen sind Krebs, Klimaanpassung, Städte, Boden und Wasser. HEU verbindet verschiedene Politikbereiche, die zu den jeweiligen Missionen beitragen können. Der österreichische „Umsetzungsrahmen für die EU-Missionen von Horizon Europe in Österreich“, der unter Mitwirkung von Fachkräften aus den Universitäten entstand, gibt Empfehlungen für einen Maßnahmen-Mix für jede der fünf EU-Missionen. Die thematische Kompetenz der Universitäten trägt zur Umsetzung der geplanten Maßnahmen im Rahmen von Aktionsplänen bei, die bis Mitte 2024 erarbeitet werden. Die Universitäten beteiligen sich an den missionsbezogenen Ausschreibungen von HEU.
Die Universitäten sind für ein Viertel aller erfolgreichen Beteiligungen österreichischer FTI-Akteurinnen und -Akteure an Missionsausschreibungen verantwortlich und konnten bis dato knapp € 8 Mio. einwerben.
Tabelle 6.4.2-6: Beteiligung und Förderung nach Universitäten in Mission Calls
Quelle: Europäische Kommission, Datenstand 8/2023, Aufbereitung EU-PM
EU Partnerschaften
Europäische F&I-Partnerschaften sind ein strategisches Instrument der EU-Forschungsförderung an der Schnittstelle zwischen nationaler und europäischer Ebene. Sie unterstützen die langfristige Vernetzung von F&I-Akteurinnen und -Akteuren bei wissenschaftlichen und/oder technologischen Themen wie Klimaneutralität und digitalem Wandel. Ihre Bedeutung und ihr Anteil am Gesamtbudget des jeweiligen Rahmenprogramms nahmen kontinuierlich zu. Im Rahmen von HEU fließen bis zu 50 % der Mittel oder rund € 24 Mrd. der Säule 2 in Europäische Partnerschaften.
In HEU gibt es drei Typen von Partnerschaften:
Bisher liegen Ergebnisse von 42 Ausschreibungen der Co-programmed Partnerships und Institutionalised Partnerships mit vorwiegend industriellem Fokus vor. Mit Stand August 2023 hatten sieben österreichische öffentliche Universitäten mit insgesamt 19 Beteiligungen in Verträgen erfolgreich an neun Ausschreibungen der Co-programmed Partnerships teilgenommen.
Bei elf Ausschreibungen der Institutionalised Partnerships waren neun österreichische öffentliche Universitäten mit 22 Beteiligungen in Verträgen erfolgreich. Fünf österreichische Universitäten waren mit fünf Beteiligungen in Verträgen als Third Party an Co-funded Partnerships beteiligt.
Third Parties in Horizon Europe tragen zu einer Maßnahme bei, ohne selbst Begünstigte zu sein – z. B. durch Bereitstellung von Sachleistungen oder Dienstleistungen für einen Begünstigten gegen Bezahlung.
Europäisches Innovations- und Technologieinstitut
Das Europäisches Innovations- und Technologieinstitut (EIT) ist Teil der Säule 3 „Innovatives Europa“ im HEU-Programm. Bisher wurden neun Knowledge Innovation Communities (KICs) eingerichtet. Die Themen dieser europäischen Netzwerke umfassten Energie, Klima, Digitalisierung, Rohstoffe, Gesundheit, Nahrungsmittel, Städtische Mobilität, Automatisierung sowie Kultur- und Kreativwirtschaft. Alleinstellungsmerkmal einer Beteiligung an EIT-Angeboten ist die verstärkte systematische Zusammenarbeit zwischen Bildung, Forschung, Innovation und wirtschaftlicher Umsetzung.
Österreich ist mit Stand 2023 an den EITs Raw Materials, Manufacturing, Health und Kultur- und Kreativwirtschaft nennenswert beteiligt. Das „Regional Innovation Center“ mit Beteiligung der MUL konnte sich erfolgreich etablieren. Eine KIC-Beteiligung beschleunigt v. a. die Zusammenarbeit einer Universität intern und mit Partnerinnen und Partnern, die von außen an die Universität herantreten (Cultural Change Effect). Die TU Wien, die 2019 im Bereich Automatisierung das erste Co-Location Center (CLC) nach Österreich brachte, ist Core Partner im EIT Manufacturing und gestaltet durch zahlreiche Projektbeteiligungen die europäische strategische Vernetzung im Fachbereich aktiv mit. 2022 gelang es, ein weiteres CLC des EIT Health in Österreich zu gründen: Das EIT Health Austria vermittelt, u. a. durch das Projekt Academia2Entrepreneurs, Studierenden an österreichischen Universitäten und Forschungsinstituten die Option einer Unternehmensgründung im Gesundheitsbereich. Bei der erfolgreichen Bewerbung für die EIT KIC Ausschreibung zum Thema Kultur- und Kreativwirtschaft 2022 waren JKU und Angewandte maßgeblich beteiligt. Das österreichische CLC, das die Region Baden-Württemberg, Bayern, Alpenraum und Süd- und Südosteuropa abdeckt, befindet sich unter Federführung des Vereins Kreativwirtschaft Austria im Aufbau.