10.5 Digitale Prozesse

Die rasante Entwicklung digitaler Technologien hat nicht nur die Art und Weise verändert, wie gelehrt und gelernt wird, sondern auch die Verwaltung und Organisation von Bildungseinrichtungen erfuhren massive Veränderungen in Richtung Effizienz, Transparenz und Zugänglichkeit. Sowohl die Institutionen als auch ihre Stakeholderinnen und Stakeholder profitieren von einer effizienteren Verwaltung, die Ressourcen freisetzt, die ansonsten anderweitig für bürokratische Prozesse gebunden wären. Die im Folgenden beschriebenen Beispiele tragen dazu bei, Bildungsinstitutionen effizienter zu gestalten, den Zugang zu Hochschulbildung zu erleichtern und die Anerkennung von Qualifikationen auf internationaler Ebene zu fördern. Die voranschreitende digitale Transformation bietet somit nicht nur technologische Fortschritte, sondern auch die Möglichkeit, die gesamte Bildungskette inklusiver, flexibler und global vernetzter zu gestalten.

Digitalisierung studienrechtlicher Prozesse

Am 1. Jänner 2022 trat das E-Government-Gesetz (E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004) in Kraft, wonach gemäß § 1a Abs. 1 „Jedermann in den Angelegenheiten, die in Gesetzgebung Bundessache sind, das Recht auf elektronischen Verkehr mit den Gerichten und Verwaltungsbehörden [hat].“ Seitdem sind Verwaltungsbehörden angehalten, Prozesse und Verfahrensschritte zu digitalisieren. Die „Weiterentwicklung einer effizienten, datenbasierten und digitalisierten Hochschulverwaltung – innerhalb der Hochschulen und im Hochschulsystem“ (BKA, 2020c, S. 212) ist im Regierungsprogramm verankert. 

Die Vorsehung der Universitäts- und Hochschulstatistik- und Bildungsdokumentationsverordnung (UHSBV, BGBl. II Nr. 301/2022) in § 6, dass die Ausstellung des Diploma Supplements spätestens ab 1. Oktober 2023 ausschließlich in amtssignierter elektronischer Form zu erfolgen habe, leitete ein umfassendes Digitalisierungspaket in der postsekundären Bildung ein. Die im August 2023 beauftragte Weiterentwicklung des Datenverbunds der Universitäten und Hochschulen (DVUH) hin zur Etablierung eines Studierendenregisters ist eine Voraussetzung für weitere Digitalisierungsprozesse: Sie ermöglicht, dass bestimmte Daten von Studierenden anderen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden können und forciert die Einführung eines elektronischen Studierendenausweises. Grenzüberschreitende Anwendungsfälle können so umgesetzt werden. 

Art. 14 Abs. 2 Single Digital Gateway Verordnung (SDG-VO) verpflichtet die zuständigen Behörden, bestimmte Nachweise (die den Anforderungen dieser Bestimmung entsprechen) „auch den anfordernden zuständigen Behörden aus anderen Mitgliedstaaten in einem elektronischen Format zur Verfügung“ zu stellen. Im postsekundären Bildungsbereich sind davon drei Verfahren umfasst:

  • Beantragung einer Studienfinanzierung für ein Hochschulstudium (z. B. Studienbeihilfen oder -darlehen) bei einer öffentlichen Stelle oder Einrichtung
  • Einreichung eines ersten Antrags auf Zulassung zu einer öffentlichen Hochschuleinrichtung
  • Beantragung der Anerkennung von akademischen Diplomen, Prüfungszeugnissen oder sonstigen Nachweisen über Studien oder Kurse

Für einen einheitlichen elektronischen Studierendenausweis soll die Ausweisplattform des Bundes verwendet werden. Die dafür erforderlichen Daten sollen hauptsächlich aus dem Studierendenregister kommen. Der DVUH soll so adaptiert werden, dass er die postsekundären Bildungseinrichtungen beim Online-Onboarding von Studienwerberinnen und -werbern und der Online-Authentisierung unterstützt. Anwendungsfälle sind die Anmeldung via ID-Austria, der Bezug eines aktuellen Lichtbildes aus dem Identitätsdokumentenregister (IDR) und dem Führerscheinregister (FSR) und die elektronische Bestätigung des Vorliegens eines Reifeprüfungszeugnisses.

European Digital Credentials for Learning

In der heutigen vernetzten Welt sind digitale Fähigkeiten entscheidend für den persönlichen und beruflichen Erfolg. In Anerkennung dieser Fähigkeiten hat sich der Europass – ein Portal der Europäischen Kommission, das eine Reihe kostenloser und mehrsprachiger Tools zur Planung der Bildungs- und Berufslaufbahn bietet – zu einem wertvollen Instrument entwickelt, das Personen bei der Entwicklung und Präsentation ihrer digitalen Kompetenzen unterstützt. Europass stellt die Weichen für das papierlose Ausstellen von Zeugnissen durch die 2021 offiziell eingeführten Europäischen Digitalen Bildungsnachweise (Digital Credentials). Die frei verfügbare und kostenlose technische Infrastruktur ermöglicht es, digitale Zeugnisse, Zertifikate und Microcredentials in einem europaweit gleichen, fälschungssicheren Standard zu erstellen, auszugeben, zu überprüfen, zu speichern und zu teilen. Vorteile der Digital Credentials sind:

  • Anerkennung und Vergleichbarkeit: European Digital Credentials ermöglichen eine transparente und vergleichbare Darstellung von Lernergebnissen. Studierende können ihre Fähigkeiten und Kenntnisse leichter mit anderen Bildungseinrichtungen und potenziellen Arbeitgebern teilen. Die Chancen für internationale Mobilität und Beschäftigungsfähigkeit steigen.
  • Effiziente Verwaltung: Die digitale Erfassung und Verwaltung von Zeugnissen vereinfacht den Verwaltungsprozess für Hochschulen. Durch den Einsatz der digitalen Zertifikate können Hochschulen Zeit und Ressourcen für Erstellung, Versand und Verwaltung von Papierzeugnissen oder Authentizitätsprüfungen sparen.
  • Authentizität und Sicherheit: Moderne Technologien gewährleisten die Integrität und Authentizität der European Digital Credentials. Das Risiko von Fälschungen und Betrug sinkt erheblich.

Die Europäischen digitalen Bildungsnachweise werden in Österreich zur Umsetzung der Digitalisierung von Zertifikaten bevorzugt, da sie für eine europaweite Anwendung basierend auf dem Digital Education Action Plan (2018) konzipiert wurden. Die European Skills Agenda (2020) weist sie als wichtiges Instrument für flexible lebenslange Lernwege für EU-Bürgerinnen und -Bürger aus.

Das nationale Europasszentrum (www.europass.at) informiert über die neuesten Entwicklungen und ist erste Ansprechstelle für Institutionen. Zum Zeitpunkt der Berichtslegung planten mehrere österreichische Institutionen die Einführung der Digitalen Bildungsnachweise.