Die Jahre 2021 bis 2023 waren von den Auswirkungen der Pandemie geprägt, die eine drastische Verlagerung von Präsenzunterricht hin zu Distance Learning nötig machten. Österreichische Universitäten standen vor der Herausforderung, in kurzer Zeit effektive digitale Lehrmethoden zu implementieren und gleichzeitig sicherzustellen, dass Bildung weiterhin für alle zugänglich bleibt. Dieser abrupte Wandel brachte nicht nur technische, sondern auch pädagogische Herausforderungen mit sich, da Lehrende und Studierende gleichermaßen ihre gewohnten Lehr- und Lernumgebungen neu gestalten mussten. Trotz der anfänglichen Umstellungsschwierigkeiten eröffnete die verstärkte Nutzung von Distance Learning und E-Didaktik auch neue Chancen. Studierende konnten flexibler auf Bildungsinhalte zugreifen, und der digitale Raum ermöglichte eine verstärkte internationale Zusammenarbeit. Gleichzeitig wurden jedoch auch Fragen zur digitalen Kluft und zur Qualität der Online-Lehre aufgeworfen, die teils zu eingehenden Reflexionen über die digitale Transformation der Hochschulbildung in Österreich führten.
Distance Learning
Im Wissenschaftsausschuss im Dezember 2020 kündigte der damalige Bundesminister Faßmann eine Überblicksstudie zum Distance Learning an den österreichischen Hochschulen an. Die vom BMBWF beauftragte Studie wurde im Mai 2021 fertiggestellt (Pausits et al., 2021). Insgesamt analysierte sie 250 Publikationen von österreichischen Hochschuleinrichtungen zu Distance Learning im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie. Die Quellen umfassten neben ersten fachwissenschaftlichen, begutachteten Publikationen eine Reihe von Lageberichten, Fallstudien und Ergebnisse von institutionellen Umfragen bei Studierenden und Lehrenden. Die Analyse erfolgte zu:
Die Studie diente als wissenschaftliche Evidenz für Empfehlungen zum digitalen Lehren, Lernen und Prüfen der Hochschulkonferenz (HSK). Die Befassung durch den Nationalrat im Rahmen des Wissenschaftsausschusses erfolgte im Oktober 2021.
Empfehlungen der Hochschulkonferenz
Ende 2020 richtete die HSK die Arbeitsgruppe „Digitales Lehren, Lernen und Prüfen an Hochschulen“ zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität des hochschulischen Lehrens, Lernens und Prüfens ein. Der Arbeitsauftrag lautete, Empfehlungen zu entwickeln, die „[…] den involvierten Personen und Gremien an den Hochschuleinrichtungen als Handreichung dienen [sollen]. Die Empfehlungen bauen auf den Erfahrungen und Erkenntnissen des bisherigen Distance Learnings (vor allem des Jahres 2020 unter COVID-19-Bedingungen) auf und beziehen aktuelle Studien, insbesondere auch aktuelle soziologische, psychologische und bildungswissenschaftliche Forschungsergebnisse zum Lehren und Lernen, mit ein.“ (BMBWF, 2021b, S. 13). Der Arbeitsauftrag umfasste vier Teile:
Im November 2021 verabschiedete die HSK die AG-Empfehlungen und veröffentlichte sie im Dezember 2021 als Empfehlungen der Hochschulkonferenz. Digitales Lehren, Lernen und Prüfen an Hochschulen. Weiterentwicklung der Qualität des hochschulischen Lehrens, Lernens und Prüfens (ebd.).
Die Empfehlungen richten sich an Akteurinnen und Akteure des österreichischen Hochschulsystems wie Hochschulleitungen, Lehrende, Studierenden und BMBWF. Das Dokument gliedert sich in fünf Kapitel. Die Empfehlungen orientieren sich an:
Die abgeleiteten Empfehlungen verstehen Digitalisierung und digitale Elemente als Erweiterung der bestehenden Möglichkeiten, der Fokus bleibt auf den Anwenderinnen und Anwendern selbst – den Lehrenden und Studierenden. Die Empfehlungen beziehen sich auf die tägliche Praxis von Lehrenden und Studierenden und zeigen, wie digitales Lehren, Lernen und Prüfen nachhaltig und qualitativ verankert werden kann:
Die Umsetzung der Empfehlungen erfolgt u. a. über die Verankerung in den Strategiedokumenten des BMBWF.
E-Didaktik an Universitäten
Der GUEP 2025–2030 betont die Weiterentwicklung der Lehrvermittlung unter Einbeziehung von Medienkompetenz, um eine qualitäts- und wirkungsvolle universitäre Lehre zu gewährleisten (Systemziel 3). Dazu gehören die Förderung hochschuldidaktischer Kompetenzen, die fachspezifische Anwendung digitaler Lehre und die reflektierte Nutzung digitaler Lehr- und Lernformate. In den LV 2022–2024 bekannten sich alle Universitäten dazu, digitale Medien (E-Didaktik) in ihrer hochschuldidaktischen Aus- und Weiterbildungen zu etablieren.
Die Vizerektorate für Lehre und Lehrende sind nach dem Projektbericht von Arndt et al. Expertisenträgerinnen und -träger für digitale Medien in der Lehre an ihren jeweiligen Universitäten (Stand und Perspektiven der Implementierung von Hochschuldidaktik in der Governance der öffentlichen Universitäten in Österreich [Arndt & Mielke, 2023]). Die Hälfte der Lehrenden, die in der 2022 durchgeführten Studie befragt wurden, sah die Pandemie als Katalysator für Fortschritte in der E-Didaktik. Die Bandbreite der digitalen Möglichkeiten reichte von virtuellen Formaten (z. B. MOOCs) über Blended Learning (Kombination aus synchronen und asynchronen Phasen) und Augmented Reality bis zu Feedback-Tools. Lehrende sahen einen großen Nutzen im Austausch und der Zusammenarbeit in Netzwerken wie dem Forum Neue Medien in der Lehre (fnma; https://fnma.at/) und hochschulübergreifenden Kooperationen (z. B. die Steirische Hochschulkonferenz).
Um ihre eigene Expertise und didaktischen Kompetenzen entfalten zu können, benötigen Lehrende angemessene Infrastruktur an der eigenen Hochschule: Darunter fallen z. B. Raumausstattung mit Hardware und Software, Lernlabore, Lernmanagementsysteme, elektronische Lernmaterialien, Prüfungsumgebungen, medientechnische Unterstützung und rechtliche Begleitung. Neben den Chancen durch den Einsatz digitaler Medien sahen Lehrende auch den Druck zur Digitalisierung der Lehre. Aus ihrer Perspektive müssen die zahlreichen technischen Möglichkeiten auch didaktisch überzeugend sein.
Die Integration digitaler Elemente in die Lehre umfasste auch die Förderung digitaler Kompetenzen bei den Studierenden, v. a. Datenkompetenz (Data Literacy) und die Fähigkeit, ethische und soziale Zusammenhänge zu erfassen. Verschiedene Kompetenzmodelle (wie z. B. Digitale Kompetenzen Informatische Bildung, https://digikomp.at/) bieten Lehrenden Orientierung bei der Gestaltung von Curricula, Lehre und Lernen. Die Universitäten müssen Unterstützungsangebote auf unterschiedlich ausgeprägte Expertisen und Erfahrungen des eigenen Lehrpersonals abstimmen. Die genannte Studie zeigte, dass viele Universitäten didaktische Schulungs- und Unterstützungsangebote an eigenen Zentren oder Serviceeinrichtungen für Lehren und Lernen anbieten. Einzelne Universitäten hatten Lehren und Lernen mit digitalen Medien als eigenen Arbeitsbereich etabliert und boten Zertifikatsprogramme für Hochschullehrende an. Die Studie legte eine noch stärkere Vernetzung und Kooperation zwischen den Universitäten durch gemeinsame Qualifizierungsangebote für Lehrende, Expertisenaustausch oder den Ausbau von Plattformen (z. B. Atlas der guten Lehre) nahe.