9.1.1 Internationale Strategiedokumente und Schwerpunkte

Nationale ERA Roadmap 2015-2020

Die Nationale ERA Roadmap umfasst sechs Prioritäten und referenziert auf das gleichnamige Dokument der Europäischen Kommission (EK). Die Umsetzung der Priorität 4 „Geschlechtergleichstellung und Gender Mainstreaming“ war Gegenstand des Horizon-2020-Projekts GENDERACTION (2016–2021), an dem das BMBWF in Zusammenarbeit mit dem Insititut für Höhere Studien (IHS) beteiligt war: Die öffentlich verfügbaren Nationalen Aktionspläne (NAP) von 26 Mitgliedsstaaten und vier assoziierten Staaten wurden analysiert, ausgewertet und Empfehlungen für die Weiterentwicklung – national und auf europäischer Ebene – abgeleitet Die Nationalen Aktionspläne wurden in folgende Kategorien eingeordnet: 

  1. Länder mit einem umfassenden und konsistenten Gleichstellungsplan
  2. Länder mit einem inkonsistenten Gleichstellungsplan (betreffend Ziele und umgesetzte Maßnahmen)
  3. Länder mit einem fokussierten Gleichstellungsplan (berücksichtigt zumindest eines der drei Gleichstellungsziele) 
  4. Länder mit einem aktionistischen Gleichstellungsplan

Österreich wurde gemeinsam mit Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Slowenien, Spanien und Schweden in Kategorie 1 eingestuft. 

Die Analyse zeigte eine positive Relation zwischen Geschlechtergleichstellung, Innovation und Exzellenz: Einrichtungen, die einen umfassenden und konsistenten Gleichstellungsplan entwickelten und umsetzten, steigerten auch ihr Innovationspotenzial. 

Die EK wandte diesen Zusammenhang im Forschungsrahmenprogramm HEU (2022–2027) an: Gleichstellungspläne wurden verpflichtend für die erfolgreiche Beantragung von Forschungsmitteln eingeführt (vgl. Wroblewski, 2021).

Die Universitäten sind bereits durch das UG 2002 gesetzlich zur Erlassung eines Frauenförderungs- und Gleichstellungsplans verpflichtet. Anhand der konkreteren formalen Kriterien und thematischen Empfehlungen der EK-Vorgaben können Universitäten ihre Gleichstellungspläne evaluieren und weiterentwickeln. Zur Unterstützung entwickelten BMBWF und BMK einen Leitfaden für Hochschulen und Forschungseinrichtungen (vgl. Wroblewki, 2022). 

Nationaler Aktionsplan für den Europäischen Forschungsraum 2022–2025

Die Initiative 4 des Nationalen Aktionsplans für den Europäischen Forschungsraum ist „Gleichstellung der Geschlechter und Inklusion“. Stakeholderinnen und Stakeholder von BMBWF und BMK erarbeiteten in einem breitangelegten Prozess Schwerpunktmaßnahmen angelehnt an die ERA Policy Agenda: 

  • die (Weiter-)Entwicklung von Gleichstellungsplänen
  • die Integration der Genderdimension in Forschungs- und Innovationsinhalte bzw. in die forschungsgeleitete Lehre
  • die Entwicklung von Maßnahmen gegen geschlechterbasierte Gewalt 
  • die Initiierung und Förderung eines sektorenübergreifenden Gleichstellungsdialogs

Die ersten Umsetzungen erfolgten 2022 u. a. mit der Publikation „Von der Geschlechterpolitik zur diversitätsorientierten Gleichstellungspolitik im österreichischen Hochschul- und Forschungsraum von 2000 bis 2022“ (BMBWF, 2023d).

EU-Projekte

Österreichische Einrichtungen beteiligten sich erfolgreich an den Ergebnissen und Empfehlungen aus EU-geförderten Policy-Forschungsprojekten zu genderspezifischen Themenstellungen von Horizon 2020 und HEU. EU-Projekte wie diese unterstützen den Kompetenzerwerb und Netzwerkaufbau von Forschenden und Forschungseinrichtungen. Sie tragen neben anwendungsorientierten Instrumenten (Beispiele guter Praxis, Leitfäden, Tool-Boxes) zur Generierung von neuem und empirisch fundiertem Wissen bei und bereichern durch das Aufgreifen internationaler Diskurse den nationalen Gleichstellungsdiskurs. Außerdem fördern sie die qualitätsgesicherte Weiterentwicklung der Gleichstellungsarbeit an den Forschungseinrichtungen und in den zuständigen Ministerien (Schiffbänker & Thaler, 2023).

  • In der Initiative GENDERACTIONplus arbeiten z. B. Expertinnen und Experten aus 21 europäischen Ländern (inkl. Österreich) in von der ERA Policy Agenda (2022-2025) fokussierten Themenfeldern zur Gleichstellung der Geschlechter und Inklusion zusammen. Sie unterstützt die Umsetzung der Aktionslinie „Geschlechtergleichstellung und Inklusion“ in den europäischen Ländern. 
  • Am Projekt INSPIRE ist Österreich durch Joanneum Research beteiligt. Ziel ist die Entwicklung von Wissen, Kompetenzen und Instrumenten zur Förderung von Gleichstellung unter Berücksichtigung von Intersektionalität und Diversität an Hochschul- und Forschungseinrichtungen. 
  • Ein ebenso aus HEU-Mitteln gefördertes Projekt, wenngleich auch ohne österreichische Beteiligung, ist UniSAFE (https://unisafe-gbv.eu/). Eine groß angelegte europäische Umfrage an Studierenden und Mitarbeitenden von Hochschulen lieferte nationalen Behörden und Einrichtungen wichtige Grundlagen und Empfehlungen zur Bekämpfung von geschlechterbasierter Gewalt. 

Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen

Das 2007 gegründete Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) unterstützt EK und Mitgliedstaaten bei der Förderung der Geschlechtergleichstellung, der Antidiskriminierung aufgrund des Geschlechts und bei Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung. Die EIGE entwickelte den Gender-Equality-Index (European Institute for Gender Equality, 2022), der den Gleichstellungstatus in Arbeit, Entlohnung, Wissen, Zeit, Macht, Gesundheit, Gewalt und mehrfacher Ungleichheit abbildet. 2022 lag der EU-Gender-Equality-Index bei 68,8 (100 = tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter). Der österreichische Wert lag mit 68,8 genau im Schnitt.