Das Konzept der „Entrepreneurial University“, das die Förderung unternehmerischen und innovativen Denkens und Handelns zum Nutzen der Gesellschaft zum Ziel hat, ist für immer mehr Universitäten strategie- und handlungsleitend. Diese zunehmende Orientierung an Innovationsund Entrepreneurshipkonzepten und -inhalten entspricht auch den von der Bundesregierung und dem BMBWF in diversen Strategiedokumenten festgelegten Schwerpunkten. So ist die Stärkung und Weiterentwicklung von Entrepreneurship an Universitäten als explizites Ziel in der FTI-Strategie, im Aktionsplan für einen wettbewerbsfähigen Forschungsraum des BMBWF sowie im GUEP verankert. Die Universitäten haben sich im Rahmen der Leistungsvereinbarungen 2016–2018 zahlreiche Maßnahmen zur Umsetzung des Konzepts der unternehmerischen Universität gesetzt, die in der LV-Periode 2019–2021 strategisch weiterentwickelt und verstetigt werden. Um die Performance des österreichischen Hochschulsystems in diesem Bereich im internationalen Vergleich sichtbar zu machen, beteiligte sich Österreich im Berichtszeitraum an der zweiten Runde der HEInnovate-Länderstudien von Europäischer Kommission und OECD. Den Universitäten wurde außerdem bereits in der LV-Periode 2016–2018 die Nutzung des von den beiden Institutionen gemeinsam entwickelten Selbstevaluierungsinstruments „Higher Education Innovate“ zur Standortbestimmung im Bereich Entrepreneurship und Innovation empfohlen.
Verankerung in den Leistungsvereinbarungen
Die in der LV-Periode 2019–2021 von den Universitäten gesetzten Maßnahmen zur Stärkung von Entrepreneurship und Innovation reichen von Lehrveranstaltungs- und Weiterbildungsangeboten zur Vermittlung einschlägiger Skills über Vernetzungsaktivitäten mit der Wirtschaft bis zur Etablierung von Gründerzentren, Coworking Spaces, Makerspaces für Prototypenbau und Open Labs als Experimentierraum. Das „Entrepreneurship Center Network“ beispielsweise wurde von sechs Universitäten[14] als fächerübergreifende Plattform für Studierende eingerichtet mit dem Ziel, die Anzahl interdisziplinärer Unternehmensgründungen aus den Universitäten heraus nachhaltig zu steigern. Die aktive Beteiligung an den WTZ (Abschnitt 11.4.2) und der Ausbau von Gründerzentren zur Förderung von Ausgründungen wurden im Berichtszeitraum weiter vorangetrieben, sodass mittlerweile jeder Universitätsstandort über ein Gründerzentrum in Kooperation mit regionalen Akteurinnen und Akteuren verfügt. Die Universität Innsbruck hat in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Tirol den „INNCubator“ gegründet, der angehende Start-ups u.a. mit Workshops, Expertenfeedbacks und einem Coworking Space bei der Ideenentwicklung und Umsetzung unterstützt. Die Universität Linz hat die „Entrepreneur.base“ als Anlaufstelle in Sachen Gründungen für Studierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Alumni eingerichtet, die Universität Klagenfurt das „inspire! Lab“. Sehr aktiv ist auch die Technische Universität Wien, die mit dem „TUW i2ncubator“, einem Kompetenzzentrum für Innovationsausbildung und Unternehmensgründung inklusive Coworking Space, Startup-Academy, Incubation und „Entrepreneur-in-Residence“ (EIR)-Programm eine breite Palette an gründungsfördernden Maßnahmen setzt und stetig erweitert. Die Medizinischen Universitäten haben Entrepreneurship in der Lehre verankert und bieten beispielsweise Zertifikatskurse zur Praxisgründung oder Entrepreneurship-Lehrveranstaltungen an. Die Montanuniversität Leoben hat eigene Universitätslehrgänge entwickelt (z.B. Product Development) und bietet Wettbewerbe (z.B. Business-Plan-Wettbewerb) sowie Gründertage oder eine Start-up-Werkstatt an. Die Veterinärmedizinische Universität Wien hat mit dem Leadership-Programm „LeadingVet“ eine Ausbildungsschiene zu Entrepreneurial Skills für das wissenschaftliche Personal entwickelt und kooperiert im Projekt „VetIdeas2.0“, einem Ideenwettbewerb zur Entwicklung eigener Geschäftsideen, mit der Wirtschaftsuniversität Wien. Kunstuniversitäten wie die Universität für angewandte Kunst oder die Akademie der bildenden Künste Wien betonen ein differenziertes Verständnis von Entrepreneurship, das die gestalterische Grundhaltung mit der Fähigkeit, mit Komplexität, Veränderung und Unsicherheiten umzugehen, die Förderung der beruflichen Autonomie und Selbstverwirklichung sowie Interdisziplinarität beinhaltet.
„HEInnovate“ – Leitfaden zur Selbstevaluierung für Innovation und unternehmerisches Handeln
Bei „HEInnovate“ handelt es sich um ein Selbstevaluierungstool von Entrepreneurship und Innovation an Hochschulen, das die Europäische Kommission und die OECD unter Einbindung wesentlicher Stakeholder-Gruppen (z.B. European University Business-Foren) entwickelt haben. Es fokussiert aktuell auf acht Dimensionen, um unternehmerische und innovative Dynamiken im hochschulischen Leistungsgeschehen zu fördern und sichtbar zu machen. Auf dieser Grundlage führt die OECD in Kooperation mit und im Auftrag der Europäischen Kommission auch Länder-Reviews durch, die über die Perspektive der einzelnen Hochschule hinaus das gesamte Hochschulsystem im Fokus haben. Bisher liegen zu folgenden Ländern Reviews vor: Bulgarien, Irland, Polen, Ungarn, Niederlande, Kroatien, Italien, Rumänien und Österreich. Die Schwerpunkte des Österreich-Reviews lagen auf den Dimensionen „Leadership and Governance“, „Entrepreneurial Teaching and Learning“ sowie „Preparing and Supporting Entrepreneurs“. Vor-Ort-Besuche mit internationalen Expertinnen und Experten fanden an den Standorten Graz und Innsbruck sowie u.a. an fünf Wiener Universitäten statt. Als Vorbereitung für die Evaluierung wurde im Auftrag des BMBWF der Hintergrundbericht „Die Entrepreneurial Agenda an Österreichs Hochschulen: Entwicklungen, Aktivitäten und Vorhaben – eine Bestandsaufnahme“ erarbeitet, die auch die in der LV-Periode 2019–2021 geplanten Aktivitäten mitberücksichtigt (vgl. Ecker et. al 2019). Österreich wird von der OECD im 2019 veröffentlichen Country Review „Supporting Entrepreneurship and Innovation in Austria“ (vgl. OECD/Europäische Union 2019) ein sehr gutes Zeugnis für seine jahrelang konsequente Politik zur Förderung von Wissenschaft-Wirtschaftskooperationen, in jüngster Zeit auch mit verstärktem Fokus auf der Öffnung in Richtung Gesellschaft (Stichwort: Dritte Mission als dritte Säule der Hochschulen), ausgestellt. Es wird bestätigt, dass die Universitäten und Fachhochschulen wichtige Key Player für Innovation und Entrepreneurship sind, die nicht nur Wissenschaft, Forschung und Innovation vorantreiben, sondern auch für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes wesentlich mitverantwortlich sind. Die OECD bestärkt mit ihrer Analyse das Vorgehen des BMBWF, Entrepreneurship und Innovation zu einem zentralen Entwicklungsziel des Hochschulsystems erhoben und in den wichtigsten Governance-Instrumenten verankert zu haben. Zudem enthält der Bericht eine Reihe von Best-Practice Beispielen der besuchten Hochschulen zur Stärkung der „Entrepreneurial and Innovation Agenda“. Als Handlungs- und Weiterentwicklungspotenziale verweist der Review u.a. auf die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der „Entrepreneurial and Innovation Agenda“, die den Fokus nicht nur auf Unternehmensgründung und IPR legt, sondern generell auf die Forcierung eines positiven Mindsets unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Studierenden. Der Hochschul-Governance wird geraten, die Entrepreneurial Agenda ganzheitlich, d.h. systemisch mit allen unterschiedlichen Ausprägungen und Facetten zu sehen und tatsächlich auch diese Breite und Vielfalt in der Strategieentwicklung, bei Zielwertdefinitionen sowie der Erfolgs- und Impactmessung zu berücksichtigen.
Wenngleich die Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen gut ausgebaut sind, kommt der Forschungs- und Technologiebericht 2019 zu dem Schluss, dass es einer weiteren Beschleunigung und Effizienzsteigerung im Transfer neuer Verfahren, Technologien und Dienstleistungen in Österreich bedarf. Auf die universitäre Lehre bezogen, ist nicht nur der Wissenstransfer von den Lehrenden zu den Studierenden sicherzustellen, sondern insbesondere auch der Wissensaustausch zwischen Hochschulen und Absolventinnen und Absolventen in ihren Beschäftigungen – sei es in Anstellung oder als Gründerinnen und Gründer – mit der Wirtschaft und Gesellschaft zu stärken. Dies erfordert etwa die Weiterentwicklung von Curricula mit einer laufenden Qualitätssicherung zur Abdeckung von fachlichen/disziplinären Kompetenzen ebenso wie die weitere Unterstützung der Ausbildung in generischen, entrepreneurial Skills. Auf die Forschung bezogen ist der Wissenstransfer der angewandten Forschung inhärent, der Impact von Grundlagenforschung im Innovationskreislauf und deren Beitrag zur Wertschöpfung – wenn auch mitunter mit größerer Zeitverzögerung – bekanntlich mindestens so hoch (vgl. Janger et al. 2017). Um neue Wege und neue Chancen für Studierende und Lernende, Alumni sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu eröffnen sowie neue Ideen, ungenutzte Potenziale und Ressourcen in Kooperation und Netzwerken zwischen den unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren im Innovationssystem zu erschließen, ist – ganz im Sinne des Regierungsprogramms – auch auf soziale und kulturelle Innovationen sowie die Unterstützung von Frauen im Gründungsgeschehen ein besonderes Augenmerk zu legen.