In den letzten Jahren hat das Interesse an Standortpolitik als ein Mittel, die Wahrnehmbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit von Regionen zu erhöhen, deutlich zugenommen. Das aktuell vorherrschende Verständnis einer zeitgemäßen Standortpolitik wurde stark von der „Smart Specialisation-Strategie“ der Europäischen Union geprägt. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Innovationspolitik, die neben wirtschaftlich-technologischen Aspekten auch das kreative Potenzial von Städten und Regionen anspricht und in der Hochschulen- und Forschungseinrichtungen eine bedeutende Rolle zukommt. Denn Forschung, Lehre und universitäres Engagement wirken immer auch im konkreten städtischen und regionalen Zusammenhang. Zugleich beziehen Universitäten wesentliche Entwicklungsimpulse für ihre Profilbildung aus Kooperationen am Standort.
Wissensgeleitete Standortpolitik
Eine OECD-Studie beleuchtete im Jahr 2017 den Zusammenhang von Standortpolitik und Hochschulen, die das Wissensdreieck (Bildung – Forschung – Innovation) verkörpern (vgl. OECD 2017b). Demnach haben Investitionen im Wissensdreieck die Tendenz positiver Effekte in zusätzlichen Politikbereichen, vom wirtschaftlichen Strukturwandel über den Arbeitsmarkt bis zum gesellschaftlichen Fortschritt. Mit ihrem unverzichtbaren Kompetenzprofil beeinflussen Hochschulen und Forschungseinrichtungen als Leitinstitutionen die internationale Positionierung ihres Standortes ebenso, wie es marktführende Firmen als Leitunternehmen tun. Vieles, was heute als unternehmerisch denkende Universität (entrepreneurial), verantwortlich (responsible) und zivilgesellschaftlich (civic) handelnde oder innovierende (innovating) Universität in einer Dritten Mission oder – international aktueller – als engagement zusammengefasst wird, hat seinen Ursprung in Fragestellungen und Herausforderungen, die sich in der Zusammenarbeit mit Partnerinnen und Partnern am Standort ergeben. Umgekehrt brauchen auch Bildung und Forschung, in globaler Zusammenarbeit und nach internationalen Standards betrieben, oft den regionalen und lokalen Kontext, um wirksam zu werden und ein unverwechselbares Stärkeprofil zu entfalten. Ein starkes regionales Netzwerk und die Anerkennung universitärer Stärken als Wettbewerbsfaktoren ihrer Stadt und Region dienen somit der internationalen Wahrnehmung österreichischer Wissensstandorte. Indem die Zuerkennung von EU-Strukturfondsmitteln 2014–2020 an das Vorhandensein einer „Smart Specialisation“-Strategie gebunden wurde, wurde auch in den Regionen Österreichs und hier insbesondere bei den Bundesländern verstärkt das Augenmerk auf regionale Innovationspolitik gelegt. Österreich hat diese Bedingung durch die FTI-Strategie 2011 erfüllt, deren regionale Konkretisierung in einem von der Österreichischen Raumordnungskonferenz begleiteten Prozess „STRAT.AT 2020“ sowie in der Publikation „Politikrahmen zu Smart Specialisation in Österreich“ ihren Niederschlag fand. Für die kommende Förderperiode der EU-Strukturfondsmittel 2021–2027 wird die neue FTI-Strategie der Bundesregierung als Querschnittsmaterie eine Aktualisierung der Smart Specialisation in Österreich beinhalten. In den Bundesländern werden und wurden regionale Teil-FTI-Strategien erstellt, die die regionalen Besonderheiten berücksichtigen. Wichtig dabei ist, dass neben Politik und Wirtschaft die jeweiligen Universitäten in den Entstehungsprozess dieser Bundesländer-FTI-Strategien eingebunden werden und diese die Einladung zur Mitwirkung auch aktiv wahrnehmen.
Leitinstitutionen-Initiative
Österreichs Universitäten sind wichtige Partnerinnen im internationalen Standortwettbewerb (Standort Österreich). Mit seiner in drei aufeinanderfolgenden Leistungsvereinbarungen verankerten Leitinstitutionen-Initiative hat das BMBWF die Universitäten eingeladen, sich aktiv als Partnerinnen der wissensgeleiteten Standortpolitik zu positionieren. In den drei LV-Perioden (2013–2015, 2016–2018, 2019–2021) haben alle Universitäten im Wesentlichen eine Standortbestimmung vorgenommen und diese schriftlich festgehalten. Somit waren sie auch besser gerüstet, sich positiv in den regionalen wissensgeleiteten Standortkonzepten einzubringen und werden als attraktive Leistungsträgerinnen für die innovative Entwicklung ihrer Region wahrgenommen. Eine Fortführung dieses Ansatzes findet sich im GUEP 2022–2027 unter dem Systemziel 5c „Abgestimmte Standortpolitik mit internationalem Profil“. Die Verankerung dieses Systemziels in den universitären Entwicklungsplänen dient der Positionierung der Universitäten als mitgestaltende Leitinstitutionen der Standortentwicklung, gemeinsam mit Wirtschaft und Gesellschaft (z.B. im Wege der Ko-Produktion von Erkenntnissen und Innovationen), der Positionierung der Universitäten als internationale Kooperationspartnerinnen mit starkem regionalem Netzwerk, dem Perspektivenwechsel von der rein institutionellen Sicht hin zur Entwicklung von Wissensstandorten mit international wahrnehmbarem Profil, der Begründung öffentlicher Investitionen durch profilbildende Vorabstimmung und synergienschaffende Verbundbildung am Standort in Forschung, Lehre und universitärer Verwaltung.
Europäischer Fonds für Regionalentwicklung
Mehrfach wurde Österreichs Leitinstitutionen-Initiative auch auf europäischer Ebene Interesse entgegengebracht, wo die Kommission das Konzept der Smart Specialisation in mehreren Politikbereichen verfolgt. Universitäten sind davon nicht zuletzt beim Europäischen Fonds für Regionalentwicklung (EFRE) betroffen. Dieser konzentriert seine Investitionen in regionale Entwicklung und Kooperation auf fünf thematische Förderachsen. Insbesondere in der Achse „Forschung, Innovation und Entwicklung“ hat sich der durch die Leitinstitutionen-Initiative forcierte Dialog der Universitäten mit ihren Regionen auch in finanzieller Hinsicht positiv ausgewirkt. Hier sind knapp 37% der auf Österreich entfallenden Mittel von rund 200 Mio. Euro vorgesehen, die dem neuen nationalen Programm „Investitionen in Wachstum und Beschäftigung“ (IWB)[11] und in der „Europäischen Territorialen Zusammenarbeit“ zur Verfügung stehen. Über alle Achsen verteilt wurden bis Mitte 2020 EFRE-Förderzusagen in der Höhe von 76 Mio. Euro von den Universitäten und Fachhochschulen in der laufenden Periode eingeworben, davon im nationalen IWB 12,6 Mio. Euro, in den Transnationalen Programmen und Netzwerkprogrammen 12,9 Mio. Euro, sowie in den bilateralen Programmen 50 Mio. Euro. Bei Letzteren sind die wissenschaftlichen Einrichtungen in der Zusammenarbeit und im partnerschaftlichen Austausch mit Österreichs Nachbarländern Deutschland (konkret Bayern), Italien, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Ungarn besonders aktiv. Ein europaweit viel beachtetes, von EFRE-Mitteln ko-finanziertes Vorhaben ist das Wasserbauprojekt „Danube River Research and Management“ (DREAM). Die Universität für Bodenkultur Wien kooperiert hier mit internationalen Partnerinnen und Partnern und finanziert DREAM mit nationalen Mitteln aus EFRE-IWB (rd. 10 Mio. Euro) und drei bilateralen INTERREG-Programmen (Österreich-Ungarn 6,6 Mio. Euro, Österreich-Slowakei 6,7 Mio. Euro und Österreich-Tschechien 2,7 Mio. Euro). Für die nächste EU-Förderperiode 2021–2027 gibt es Verschiebungen etwa hin zu Klimaschutz und Digitalisierung. Es ist zu erwarten, dass die Universitäten auch weiterhin eine wesentliche Rolle spielen werden, wobei die Administration der Projekte etwa durch Pauschalierungen deutlich vereinfacht sein sollte.
[11] Mit Stichtag 31. Dezember 2019 waren im IWB/EFRE-Programm 1.257 Projekte mit einer Investitionssumme von insgesamt 2,17 Mrd. Euro genehmigt. Gefördert wurden die Projekte mit insgesamt 616 Mio. Euro aus dem EFRE und aus nationalen Förderungen. Von den Projektträgerinnen und Projektträgern wurden 71% der Projektmittel (1,55 Mrd. Euro) aufgebracht. Mit Ende 2019 waren EFRE-Mittel im Ausmaß von 426 Mio. Euro in Projekten gebunden (258 Projekte), wovon bereits 162,3 Mio. Euro EFRE-Mittel an Projektträgerinnen und Projektträger ausbezahlt wurden. Jeder EFRE-Euro wurde somit verfünffacht: Jeder Euro aus dem EFRE-Förderprogramm hat bereits jetzt fünf Euro an nationalen und hier vor allem an privaten Investitionen ausgelöst.