Universitätszugang und Beteiligung an universitärer Bildung werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Neben fachlichem Interesse und intrinsischer Motivation sind dies vor allem das regionale Studienangebot, die Möglichkeiten der Studienfinanzierung, studienorganisatorische Aspekte (insbesondere im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Studium, Betreuungspflichten und Berufstätigkeit) und der sozioökonomische Hintergrund. Effekte der „Bildungsvererbung“ werden zum Großteil bereits im vorgelagerten Schulsystem im Rahmen von Selektionsmechanismen wirksam, die sich beim Universitätszugang (und in weiterer Folge auch beim Studienfortschritt) fortsetzen (Statistik Austria 2020a, S. 52 f). Personen mit Eltern ohne Matura sind im Universitätszugang mit dem Faktor 2,98 gegenüber Personen mit Eltern mit Matura deutlich unterrepräsentiert. Die Verbesserung der Rekrutierungsquote bzw. des Wahrscheinlichkeitsfaktors zur Studienaufnahme[10] ist deshalb sowohl in der wirkungsorientierten Haushaltsführung des Bereichs „Wissenschaft und Forschung“ (Untergliederung 31, Kennzahl 31.1.5) wie auch als quantitatives Ziel in der „Nationalen Strategie zur sozialen Dimension in der Hochschulbildung“ (Abschnitt 7.4) enthalten. Ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt, dass der Anteil der in- und ausländischen Studierenden mit Eltern ohne akademischen Abschluss in Österreich mit 64% vergleichsweise hoch ist. Darüber hinaus ist hier das Bildungsniveau in der Elterngeneration zu berücksichtigen: So ist in anderen Ländern mit einem ähnlichen Berufsbildungssystem und dementsprechend relativ niedrigen Akademikerinnen- und Akademikerquoten, wie etwa Deutschland oder der Schweiz, der Anteil dieser first generation students noch deutlich niedriger als in Österreich (Unger et al. 2020, S. 132). Bildungshintergrund und sozioökonomische Faktoren beeinflussen darüber hinaus vor allem die Wahl des Hochschultyps sowie des Studienfachs, es zeigen sich auch Unterschiede nach Alter bei Erstzulassung (Unger et al. 2020, S. 120 f). Dies tritt auch in Form von Unterschieden zutage, die sich zwischen den Universitäten im Hinblick auf die Schulbildung der Väter der Erstzugelassenen zeigen (Tabelle 7.3.2-1).
Auffällig ist, dass Studienanfängerinnen und Studienanfänger an den Wiener Universitäten sowie an Medizinischen Universitäten und Kunstuniversitäten nach wie vor überdurchschnittlich häufiger aus einem „bildungsnahen“ Elternhaus kommen – der Anteil Erstzugelassener mit hochschulisch gebildeten Vätern liegt dort deutlich über 30%, wohingegen der Anteil der akademisch Gebildeten in der Vätergeneration der 40-bis 65-Jährigen bei 12,3% liegt. Der Bildungshintergrund der Erstzugelassenen an der Universität Linz und der Universität Klagenfurt gefolgt von den Universitäten Innsbruck und Salzburg sowie der Kunstuniversität Linz kommt dagegen der Verteilung in der Vätergeneration näher.
Ein vergleichbares Bild zeigt sich für Studienanfängerinnen und Studienanfänger mit verzögertem Studienbeginn bzw. nicht-traditionellem Zugang. Das sind Bildungsinländerinnen und Bildungsinländer, die ihr Studium mit einer Studienberechtigungsprüfung, Berufsreifeprüfung, Externistenmatura oder ohne Reifeprüfung aufnehmen. Ihr Anteil an Universitäten betrug im Studienjahr 2018/19 insgesamt 8,6% (2.137 Personen) und stagniert seit mehreren Jahren. Auch dieser Indikator wird durch die „Nationale Strategie zur sozialen Dimension in der Hochschulbildung“ gescreent, da das Ausmaß an Studienanfängerinnen und Studienanfängern mit nicht-traditionellem Hochschulzugang eine wichtige Kennziffer für die soziale Durchlässigkeit in Richtung Universitäten ist.[11] Um die Übergänge und Schnittstellen zwischen Bildungs- und Hochschulinstitutionen durchlässiger zu gestalten und nicht-traditionelle Zugänge zum Hochschulstudium in der öffentlichen Wahrnehmung aufzuwerten, hat das BMBWF das Projekt „AND – Anerkennung, Anrechnung und Durchlässigkeit der Lernwege“ ins Leben gerufen. Dabei geht es u.a. um die Verbesserung der Schnittstellen innerhalb der einzelnen Stufen des Schul- sowie Hochschulbereichs als auch zwischen den einzelnen Schultypen bzw. Hochschultypen sowie die Anrechnung und Anerkennung von beruflichen Qualifikationen.
Tabelle 7.3.2-1: Erstzugelassene inländische ordentliche Studierende (Durchschnitt der Jahrgänge 2015/16 bis 2018/19) nach höchster abgeschlossener Bildung des Vaters, Verteilung in Prozent
Durchschnitt 2015–2019 | Pflichtschule | Mittlere Ausbildung | Höhere Schule (Matura) | Universität/ Hochschule |
Universität Wien | 7,7 | 35,9 | 22,3 | 34,1 |
Universität Graz | 6,4 | 45,8 | 20,4 | 27,3 |
Universität Innsbruck | 6,3 | 48,8 | 23,4 | 21,5 |
Universität Salzburg | 7,2 | 49,8 | 18,3 | 24,8 |
Technische Universität Wien | 6,7 | 32,5 | 23,7 | 37,1 |
Technische Universität Graz | 5,7 | 43,0 | 21,1 | 30,1 |
Montanuniversität Leoben | 5,4 | 42,6 | 22,3 | 29,7 |
Universität für Bodenkultur Wien | 4,7 | 38,5 | 22,5 | 34,3 |
Veterinärmedizinische Universität Wien | 3,9 | 38,4 | 21,8 | 35,8 |
Wirtschaftsuniversität Wien | 10,3 | 30,9 | 24,1 | 34,6 |
Universität Linz | 12,0 | 51,3 | 17,8 | 18,9 |
Universität Klagenfurt | 10,5 | 54,9 | 19,4 | 15,2 |
Medizinische Universität Wien | 4,1 | 19,0 | 17,6 | 59,3 |
Medizinische Universität Graz | 5,1 | 32,0 | 18,4 | 44,4 |
Medizinische Universität Innsbruck | 4,1 | 32,1 | 14,3 | 49,5 |
Akademie der bildenden Künste Wien | 7,1 | 33,3 | 17,2 | 42,4 |
Universität für angewandte Kunst Wien | 4,7 | 33,8 | 16,2 | 45,3 |
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien | 7,7 | 32,1 | 14,3 | 45,9 |
Universität Mozarteum Salzburg | 3,1 | 41,9 | 17,5 | 37,5 |
Universität für Musik und darstellende Kunst Graz | 3,9 | 42,6 | 18,1 | 35,5 |
Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz | 6,7 | 43,3 | 22,4 | 27,6 |
Gesamt | 7,6 | 40,2 | 21,7 | 30,5 |
Bildungsabschluss der Vätergeneration | 10,1 | 62,9 | 14,8 | 12,3 |
Quelle: Statistik Austria Datenaufbereitung: IV/14
[10] Der Wahrscheinlichkeitsfaktor 2,98 (Studienjahr 2019/20) bedeutet, dass Studienanfängerinnen und Studienanfänger mit einem Vater mit Matura („bildungsnahes Elternhaus“) um 2,98-mal häufiger ein Studium aufnehmen als Studienanfängerinnen und Studienanfänger aus „bildungsfernem Elternhaus“. In Absolutzahlen kommen auf 1.000 „bildungsnahe“ Männer in der Elterngeneration 43 Studienanfängerinnen und Studienanfänger und auf 1.000 „bildungsferne“ Männer in der Elterngeneration 22 Studienanfängerinnen und Studienanfänger.
[11] Bis 2025 soll die Zahl im Hochschulbereich (inkl. Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen) auf 3.500 gesteigert werden, vgl. Nationale Strategie zur sozialen Dimension in der Hochschulbildung (BMWFW 2017b, S. 31).